Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin

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Weichteilverletzungen

Sehr geehrte Damen und Herren,

Weichteilverletzungen gehören in vielen Sportarten zum Alltag der Athleten. Schon eine eigentlich harmlose Blase an der falschen Stelle kann den sportlichen Erfolg in Gefahr bringen. Nicht nur Läufer, Fußballer oder Tennisspieler können davon ein Lied singen. Art und Umfang der Verletzungen variieren allerdings stark je nach Disziplin und Grad der Anforderungen. Mehr oder minder gravierende Prellungen und Hautverletzungen sind neben Blasenbildung ebenso möglich wie Verbrennungen und Kälteschäden bis hin zu Erfrierungen.

Die besondere Herausforderung für die sportärztliche Betreuung besteht in der diagnostischen Abklärung und Erstversorgung am Ort des Geschehens sowie in der Beurteilung der weiteren Trainings- und Wettkampffähigkeit des Sportlers. Warum können Thorax-, Schädel- oder Abdomenkontusionen bedrohlich sein? Und wann ist die Versorgung und Überwachung des Athleten in einer Akut-Klinik zwingend geboten? Dr. med. Thilo Hotfiel klärt diese Fragen im aktuellen GOTS-Newsletter und beschreibt überdies, welche Maßnahmen der Prophylaxe sinnvoll sind.

Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Andreas Bellinger, GOTS-Pressesprecher presse@gots.org


Der 32. Jahreskongress der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS) wird vom 22. bis 24. Juni 2017 im Grand Hotel Esplanade in Berlin stattfinden. Ein Schwerpunktthema des Kongresses wird einen Monat vor Beginn der Europameisterschaft in den Niederlanden der Frauenfußball sein. Zum Thema Verletzungen und Prävention wird Dr. Karen aus der Fünten vom Institut für Sport- und Präventivmedizin der Universität des Saarlandes referieren. Die Mannschaftsärztin im Jugendbereich des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat ein Verletzungsregister der Bundesliga erstellt. Außerdem zeigt Dr. Ingo Tusk „den medizinischen Weg zum Olympiasieg 2016“ auf. Tusk ist Teamarzt der Frauenfußball-Nationalmannschaft und war in Rio de Janeiro betreuender Arzt des Olympiasiegers Deutschland. Bereits am PreDay (22. Juni 2017) erwarten Sie interdisziplinäre Workshops und ein eigenes Programm der Young Academy. Weitere Informationen entnehmen Sie bitte der Kongresswebsite (www.gots-kongress.org) sowie dem Hauptprogramm, das Sie unter (www.gots-kongress.org/wp-content/uploads/2017/03/GOTS17_Hauptprogramm_17.03.17.pdf) herunterladen können.


Wir möchten Sie zudem auf drei Veranstaltungen hinweisen: Medizinische Fortbildung auf höchstem wissenschaftlichen Niveau bietet der “F.A.M.E. speciality day” zum Thema Sehnenläsionen im Sport am 6. April 2017 in Basel (www.djoglobal.de/arzt/fame.html). Das Anmeldeformular ist diesem Newsletter angehängt. Schwerpunkte des 3. Hamelner Gelenksymposium sind am 6. Mai 2017 die Prophylaxe, Diagnostik und Therapie von Sportverletzungen (www.geistlich.de/uploads/tx_news/Symposium_Flyer_online_01.pdf). Das sportmedizinische Symposium, zu dem die Augsburger Hessingpark-Clinic am 26. Mai 2017 in die Landessportschule nach Albstadt einlädt, steht im Zeichen des Mountainbiken (www.mawendo.de). Weitere Informationen enthalten die Flyer im Anhang dieses GOTS-Newsletters. Weitere Informationen bieten die Flyer im Anhang dieses Newsletters.

Sportärztliche Akutversorgung von Weichteilverletzungen

Die Versorgung von Weichteilverletzungen gehört in der sportärztlichen Betreuung vieler Sportarten und Disziplinen zum Behandlungsalltag. Weichteilverletzungen weisen hinsichtlich des betroffenen Gewebes, des Schweregrades und der Kausalität ein breites Spektrum auf. Sie sind in der Regel die Folge einer stumpfen oder spitzen äußeren Gewalteinwirkung, die durch einen direkten Verletzungsmechanismus – etwa aufgrund einer Kollision mit dem Gegner, dem Sportgerät oder der Wettkampfanlage – hervorgerufen werden kann.

Weiterhin können durch physikalische Noxen (schädigende Einflussfaktoren) wie Hitze oder Kälte oder in seltenen Fällen auch durch chemische Noxen Gewebsverletzungen entstehen. Die Ausprägung reicht von oberflächlichen Schürfwunden bis hin zu schweren Kontusionen und tiefgreifenden Gewebszerreißungen. In Abhängigkeit der ausgeführten Sportart und Disziplin zeigen sich unterschiedliche Verletzungsmuster.

Für die sportärztliche Betreuung besteht die Herausforderung in der diagnostischen Abklärung und Erstversorgung vor Ort sowie der daraus resultierenden Beurteilung der Trainings- und Wettkampffähigkeit des Athleten.

Kontusion:

Kontusionen treten gehäuft in Kontaktsportarten (Kampfsportarten, Rugby, American Football, Handball, Fußball etc.) auf, bei denen Anprallereignisse mit dem Gegner an der Tagesordnung sind. In Nicht-Kontaktsportarten wie beispielsweise Radsport, Motocross oder Reiten können sich diese Prellungen durch Sturzereignisse mit Aufprall auf dem Untergrund oder auf Gegenständen ereignen. Daraus resultierende Druck- und Scherkräfte verursachen einen Integritätsverlust (bis hin zum Zerreißen) betroffener Gewebsstrukturen.

In der Folge von Gefäßverletzungen der arteriellen, venösen und lymphatischen Strombahn sowie dem Ablauf inflammatorischer (entzündlicher) Signalwege entwickeln sich Gewebsödeme und Hämatome. Im Bereich der Muskelverletzungen stellt die Muskelkontusion ein eigenständiges Verletzungsbild (Entität) dar. Im Vergleich zu den wesentlich häufigeren indirekten Muskelverletzungen können sich diese in nahezu allen anatomischen Abschnitten des Muskels ereignen und je nach Größe der Gewalteinwirkung gleichzeitig mehrere Muskelgruppen einnehmen.

Histopathologisch zeigen sich diffuse, multilokuläre Zerreißungen des Muskelgewebes mit intramuskulären und perifascialen Einblutungen. Im Gegensatz zu indirekten Muskelverletzungen, bei denen in der Regel ein Zentrum der Läsion auszumachen ist (primärer Schädigungsort in der Regel durch exzentrische Überlastung des Muskels), zeigen sich bei Kontusionsverletzungen oftmals diffus imponierende Einblutungen mit klinisch globalen Schmerzangaben.

Die Erstversorgung von Muskelkontusionen beinhaltet:



Abb. 1a+b: Oberschenkelkontusion eines Eishockeyspielers (Bandenanprall). Es zeigt sich eine ausgeprägte Schwellung mit 8 cm Umfangsdifferenz zur Gegenseite. Unten: Korrespondierende sonographische Panoramaaufnahme des lateralen Oberschenkels: Echoarme, unscharfe, heterogene Raumforderung im Bereich des M. vastus lateralis und M. vastus intermedius als Zeichen eines diffusen intramuskulären Hämatomes mit multiplen Parenchymverletzungen.


Abb. 2: Sonographiegesteuerte, sterile Punktion eines intramuskulären Hämatoms.

Kompartment-Syndrom

Im Fall einer anhaltenden intramuskulären Blutung, ödematöser Schwellung und Druckanstieg im Kompartiment kommt es zu einer Behinderung des venösen Abflusses. Aus einer weiteren Druckzunahme in der betreffenden Loge resultiert eine sekundäre Schädigung parenchymatöser Strukturen mit der Folge weiterer Schwellung und der folglich potenziellen Schädigung neurovaskulärer Strukturen.

Sofern der Verdacht auf ein sich entwickelndes Kompartment-Syndrom besteht, sollte eine weitere Versorgung und Überwachung des Athleten in einer Akut-Klinik erfolgen. Nur so kann bei Indikationsstellung schnellstmöglich eine operative Versorgung mittels Fasciotomie gewährleistet werden.

Thorax-, Schädel- oder Abdomenkontusionen können für den Athleten aufgrund potentieller innerer Blutungen und Verletzungen von parenchymatösen Organen oder Hohlorganen prinzipiell vital bedrohlich sein. Hier ist eine weitere bildgebende Diagnostik und klinische Überwachung dringend erforderlich.

Hautverletzungen

Klassische Riss-, Quetsch- oder Schnittwunden sind in vielen Sportarten anzutreffen. In Abhängigkeit der Lokalisation, Größe und Adaptierbarkeit der Wunde sowie weiterer sekundärer Einflussfaktoren (Alter der Wunde, Fremdkörper, Verschmutzung, Kontamination) ist die anschließende Versorgung zu wählen. Eine Wundinspektion und -desinfektion sollte obligat durchgeführt werden. Zur Wundrandadaption kann die klassische Nahttechnik mit Fadenmaterial, die Klammertechnik oder die Versorgung mittels Wundklebung erfolgen.

In der Praxis haben sich die Mitnahme von kompakten Wundversorgung-Sets und die Verfügbarkeit mehrerer Adaptationstechniken bewährt, um nach Abhängigkeit der Verletzung den Wundverschluss optimal anzupassen. Die Überprüfung des Tetanus-Impfstatus ist obligat.


Abb. 3: Kleine chirurgische Wundversorgung einer zirkulären, interdigitalen Schnittverletzung durch eine Leitplanke bei einem (Rennradsturz).


Abb. 4: Klinisches Bild einer septischen Bursitis präpatellaris superficialis mit multiplen, eitrigen Hautperforationen, vier Wochen nach ereignetem Mountainbikesturz mit initialer Platzwunde ohne adäquate Primärversorgung. Dringende Indikation zur Revision mit Abszessspaltung, Debridement, mikrobiologischen Probeentnahmen und Bursektomie.

Blasenbildungen

Mechanisch bedingte Blasenbildungen betreffen vor allem die Fersen- und Zehenregionen des Fußes in Ausdauersportarten. Durch Reibungen der Hinter- oder Vorderkappen des Sportschuhs, Fremdkörper (Sand) oder Reibungen der Zehen aneinander können schmerzhafte und die Leistungsfähigkeit beeinflussende Blasen entstehen. Sie können sich aber auch an den Handflächen entwickeln oder durch scheuernde Kleidung.

Wichtig für die Prophylaxe ist eine passende Sportausrüstung. Gegebenenfalls kann es notwendig sein, die Ausrüstung technisch anzupassen beziehungsweise umzuarbeiten. Ein lokaler Hautschutz stellt eine weitere Präventionsmöglichkeit dar. Sofern bereits Blasen vorhanden sind, kann der seröse Inhalt steril punktiert werden. In der Praxis hat sich die Auflage von hydrokolloiden Blasenpflastern, die in verschiedenen Größen und Formen erhältlich sind, bewährt.

Verbrennungen

Verbrennungen können auf direktem Wege (z.B. heißer Auspuff im Motorsport) – oder indirekt durch hohe Schergeschwindigkeiten wie abrutschende Handflächen (Turnen, Stabhochsprung) oder im Rahmen von Sturzereignissen (Abschürfungen im Radsport) entstehen. Kleine und oberflächliche Brandverletzungen lassen sich vor Ort meist problemlos mit sterilen Wundauflagen (Metalline) behandeln. Bei höhergradigen Verbrennungen sollte eine unmittelbare Vorstellung in einer Akut-Klinik erfolgen.

Kälteschäden – Erfrierungen

Lokale Erfrierungen sind im Sport insgesamt selten anzutreffen. In prädisponierenden Extremsportarten wie Klettern, Bergsteigen oder (hoch-)alpinen Skitouren sowie in anderen Wintersportarten müssen sie allerdings in der sportmedizinischen Betreuung bedacht werden. Auf histopathologischer und biochemischer Ebene finden sich multiple pathogenetische Prozesse. Sie können eine durch Vasokonstriktion bedingte Blutzirkulationsstörung, eine Störung der Zellfunktion (Denaturierung von Eiweißbestandteilen, Deaktivierung von Enzymen) und eine mechanische Zerstörung der Zellintegrität durch Eiskristalle beinhalten.

Systemtherapie:

Lokale Wiedererwärmung durch Normalisierung der Körperkerntemperatur (Durchbrechen des lokalen Gefäßspasmus) durch körperwarme Infusionen, heiße Getränke, Vollbad (betroffene Extremität nicht baden!). Tetanusschutz überprüfen.

Lokaltherapie:

Hochlagerung der betroffenen Extremität, Desinfektion und Anlage antiseptischer Wundauflagen mit weicher Wattepolsterung.

Auf mechanische Reizungen wie Massagen (z.B. Handtuchreiben) sollte bei Erfrierungen unbedingt verzichtet werden!

Über den Autor:

Dr. med. Thilo Hotfiel betreut als Verbandsarzt die Deutsche Triathlon Union (DTU). Er ist ehemaliger Leichtathlet (Stabhochsprung) und passionierter Radsportler, Läufer und Bergsteiger.
Neben der klinischen Patientenversorgung beschäftigt er sich an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg wissenschaftlich mit der bildgebenden Diagnostik und Therapie von Muskelverletzungen sowie der Prävention von Überlastungsverletzungen des Fußes.

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