Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin

Suche

Arthrose wegen Sport oder Sport gegen Arthrose?

 

Die Arthrose

Arthrose – die Degeneration von Gelenken – ist ein weit verbreitetes Problem durch alle Bevölkerungsschichten, das im zunehmenden Alter vermehrt auftritt. 70-80% der über 70jährigen zeigen Zeichen einer Gelenksdegeneration, davon sind ungefähr 10-30% symptomatisch. Sport zieht sich als Phänomen ebenfalls durch alle Altersgruppen, ist mit hohen Gelenkbelastungen verbunden und stellt damit eine hohe Herausforderung an degenerativ veränderte Gelenksstrukturen dar. Der Sportmediziner beschäftigt sich mit Themen, ob Arthrose durch Sport induziert wird und inwieweit Sport und Arthrose noch kompatibel sind.

Grundlagen Gelenkknorpel und Arthrose

Der Gelenkknorpel besteht zu etwa 5% aus Zellen, den Chondrozyten oder Knorpelzellen, zu 20-40% aus Kollagen- und Glucosaminglycanen als Matrix und zu 60-80% aus Wasser. Er besitzt keine Gefäß- oder Nervenversorgung. Die Zellernährung erfolgt durch Diffusion. Eine biphasische Struktur aus Matrix und Wasser bildet die Grundlage für die biomechanischen und viscoelastischen Eigenschaften des Knorpels. Die Abpressung von Flüssigkeit bei Belastung führt zur Dämpfung und trägt wesentlich zur Gleitfähigkeit und den optimalen Schmiereigenschaften von Knorpel bei. Die Ultrastruktur des Kollagengerüstes und der darin gebundenen Glykosaminoglykane, die für die Wasserbindung verantwortlich sind, stellen das biomechanische Konzept des Knorpels dar. Verletzungen dieser Ultrastruktur, durch kritische traumatische Impacts, können zu mikrotraumatischen Veränderungen mit Rupturen im Kollagengerüst führen. Nachfolgend kommt es einerseits zur Ausschwemmung der Glycosaminoglycane, andererseits können Traumata zu einem Ausbruch von Knorpelschuppen oder osteochondralen Fragmenten führen. Der isoliert, traumatische Knorpeldefekt als Ursprung von Gelenksdegeneration ist häufig, aber durchaus nicht die einzige Ursache der Arthroseentstehung, die einen sehr vielfältigen, auch organischen Hintergrund haben kann und mit einer verminderten Belastbarkeit in osteochondralen Strukturen einhergeht. In Summe kann ein komplexes Zusammenspiel von intrinsischen und extrinsischen Faktoren als ursächlich für die Arthroseentstehung angesehen werden. Dabei steht das Dreieck aus Alter – Degeneration – und Inflammation im Zentrum. Alter ist dabei mit morphologisch mit abnehmender Knorpeldicke, weniger Proteoglykanen, einer geringeren Kollagendichte und Dedifferenzierungen vergesellschaftet. Im Weiteren kommt es zu einem proteolytischen Matrix-breakdown an der Oberfläche des Knorpels mit beginnender Fibrillation, Aufschwellung des Knorpels, dann Ausschwemmen der Glucosaminglucane und Zerreißen der Kollegenstrukturen, bis hin zum völligen Knorpelverlust mit Abrieb der Gleitoberfläche. Das Altern auf zellulärer Ebene und das gezielte elimieren seneszenter Zellen mit „Senolytics“ rückt bei defacto allen degenerativen Erkrankungen als vielversprechende therapeutische Startegie in den Fokus. In dieser mechanischen Betrachtungsweise der Gelenksdegeneration setzt parallel auch ein biologischer Prozess der Gelenkdestruktion und des Knorpelabbaus ein. Soul et al haben in einer rezenten Arbeit zur biologischen Grundlage von Arthrose im wesentlichen 2 unterschiedliche Osteoarthrose-Gruppen beschrieben können. Die wesentlichen Unterschiede dabei waren die zur Krankheitsinduktion und -progression beitragenden Wnt und TGFβ Signalwege zusammen mit einer veränderten Antwort der angeborenen Immunität und Komplementaktivierung.

Grundsätzlich bewirkt der Knorpelabrieb einen synovialen Reizzustand, der über Interleukin-1 und TNF-Alpha eine Entzündungsreaktion in Gang setzt. Durch diese Reaktionen werden auch Metalloproteasen (Kollagenasen) freigesetzt, die als zersetzende Enzyme das Kollagengerüst zusätzlich beeinträchtigen und rasch zerstören. Dieser entzündliche Vorgang ist auch jener, der für das schmerzhafte Erscheinungsbild der Arthrose hauptverantwortlich ist, das mit Ergussbildung, Bewegungseinschränkung und allgemein eingeschränkter Funktion einhergeht. Die Arthrose kann im Wesentlichen alle Gelenke betreffen, hauptsächlich aber – und für den Sport relevant – ist die Arthrose im Kniegelenk sowie im Oberen Sprunggelenk, gefolgt von der Hüfte und dem Schulterbereich. Die Entstehung von solchen Gelenkdefekten wird natürlich durch Verletzungen, die auch im Sport häufig sind, forciert. Im Knie sind dies meist Meniskus-, Kreuzband- und Knorpelverletzungen, im oberen Sprunggelenk Bandinstabilitäten und Knorpelkontusionen sowie Kapselverletzungen an der Hüfte, wo vor allem Labrumläsionen und Hüftimpingement Auslöser eines arthrotischen Prozesses sein können. Die chronischen Überlastungssituationen in Gelenken, insbsondere im Kniegelenk, können durch O- und X-Bein Stellung akzentuiert werden. Auch dysplastische Veränderungen wie sie im Bereich des Hüftgelenkes vorkommen haben vergleichbare Effekte.

Das osteoarthrotisch betroffene Gelenk ist vor diesem Hintergund wie ein komplexes Organ zu betrachten, bei dem ätiopathologische Faktoren übergreifend mechanisch, biologisch und genetisch zu Krankheitsinduktion und Progression beitragen. Dieses degenerativ veränderte Organ hat in Konsequenz auch systemische Auswirkungen auf den Gesamtorganismus. Dabei spielen vor allem die zirkulierenden Inflammtionsmediatoren eine Rolle bei beispielsweise myokardialen und neurodegenrativen Erkrankungen.  Radiologisch äußert sich die fortschreitende Arthrose durch eine Verschmälerung des Gelenksspaltes, eine Zunahme der subchondralen Sklerose mit progressiver Zystenbildung in den gelenknahen Strukturen, Kalzifizierung und Osteophytenbildung sowie einer zunehmenden Achsverweichung aufgrund der damit verbundenen Bandinstabilitäten. Neue Entwicklungen in der muskuloskeletalen Bildgebung ermöglichen es vollautomatisch mit Hilfe neu entwickelter Algorithmen konventionelle Röntgenbilder auf Frühzeichen einer Arthrose zu untersuchen. Dabei steht die Mikroarchitektur des (subchondralen) Knochen im Vordergrund womit „early disease related changes“ detektierbar werden und somit therapeutische bzw. präventive Maßnahmen zeitnahe begonnen werden können.

 

Muskelatrophie und Arthrose

Die Arthrose ist auf muskulärer Ebene mit sekundären Muskelpathologien assoziiert, nämlich der strukturellen

Muskelatrophie und der funktionellen Muskelschwäche.  Bewegungseinschränkung als offensichtliche Ursache der Muskelathropie stellt dabei kontraintuitiv im Rahmen der Arthrose nur einen Teil der vielfältigen Ursachen dar. Die arthrogene Muskelinhibition ist ein anderer zentraler Faktor in der graduellen Abnahme von Muskelkraft und -masse bei Arthrose. Synonym wird in der Litetaur der Begriff „Reflexarthropathie“ verwendet. Dies bezeichnet eine spezifische Reaktion des Nevensystems, die sogenannte arthrogenen Muskelinhibition. Aufgrund von Signalen aus anormalen nozizeptive Gelenkafferenzen kommt es zu einer Neurotransmitterfreisetzung, die eine Aktivitätshemmung der alpha-Motoneurone bewirkt und somit eine sekundäre Muskelatrophie durch Muskelminderaktivität verursacht. Muskuläre Dysbalancen sind Folge der Muskelschwäche und führen zu einer Destabilisierung des schon vorgeschädigten Gelenks. Aus der weniger gut kontrollierten Bewegung resultiert eine Gelenksinstabilität. In Folge kommt es zu ungleichmässigen Knorpelbelastungen, und damit zu einer raschen Progredienz der Knorpeldegeneration. Assoziierte Schmerzen hindern Arthrosepatienten häufig, einen erneuten Muskelaufbau zu forciere. Der resultiernede  Immobilisationszustand führt zu strukturellen Muskelveränderungen mit funktionellen Einbussen, unabhängig von der Dauer der Immobilisation. Es konnten in diesem Zusammenhang eine Reduktion von Muskelfasern, Verminderung der Muskelmasse und biomechanische Veränderungen aufgezeigt werden.

In den letzten Jahren wurden mehrere Studien publiziert,  die nachweisen, dass Muskelatrophie auch bereits vor Auftreten der ersten Arthrosesymptome besteht. Als multifaktorielle Erkrankung führt die Sarkopenie zu einem generalsierten Muskelabbau mit nachweisbarer Kraftreduktion. Hauptsächlich sind ältere Menschen vom Syndrom Sarkopenie betroffen, es wird aber auch bei jüngeren Erwachsenen beobachtet(25–27). Wie bei Muskelatrophie durch Immobilisation ist hier das einzige Therapiekonzept derzeit das regelmässige Krafttraining. Es sollte dabei ein isokinetisches Muskeltraining durchgeführt werden, bei dem Agonisten und Antagonisten gleichzeitig trainiert werden bei nur geringem Risiko einer Gelenküberlastung, das Training kann entsprechend dem Ausmass der Muskelveränderungen angepasst werden.

Osteoarthrose entsteht als Folge einer Überbelastung des Gelenkknorpels. Personen mit Muskelschwäche und resultierend schlechterer Gelenksstabilisierung haben ein deutlich erhöhtes Risiko, fortschreitende degenerative Gelenksveränderungen zu entwickeln.

 

Knorpel & Sport

Die Rationale für Beurteilung einer „physiologischen“ sportlichen Belastung basiert auf dem Verständnis der Biomechanik der Knorpelstruktur. Dabei erscheinen zyklische Belastungen mit Be- und Entlastungsphasen notwendig, um die Knorpelzelle zu ernähren.

Wie oben beschrieben ist die Knorpelzelle abhängig von Diffusion, die durch den Pumpmechanismus der Belastung besteht. Da sich die viskoelastischen Fähigkeiten von Knorpel erschöpfen, sind Erholungsphasen notwendig. Demgegenüber stehen lang statische, übermäßige Belastungen wie langes Stehen oder langes Sitzen. Solche Belastungsmuster können für das Gelenk und die Knorpelstruktur problematisch sein, da es zum Auspressen der Flüssigkeit und zum Erschöpfen des Schmiermechanismus des Knorpels kommt. Daneben sind kurze high-impacts die die Bruchlasten von Knorpel überschreiten  immer problematisch. Sie kommen meist im Rahmen von Traumen vor. In jedem Fall erscheint es wichtig, Reizzustände nach (Mikro)Traumen oder chronischer Überlastung zu vermeiden, da die vergesellschaftete Inflammation zur progredienten Gelenkdestruktion beiträgt. Tierexperimentellen Studien zum Einfluss von Bewegung auf Arthrose konnten zeigen, dass moderate Laufbelastungen bei Hunden den Glucosamingehalt und die Knorpeldicke verbessern konnte. Wurden jedoch die Laufinhalte der Tiere deutlich erhöht- vor allem mit höherfrequenten Belastungen mit längeren Umfängen- konnte eine eindeutige Abnahme der Knorpeldicke und des Glucosamingehaltes festgestellt werden. Niedrigfrequentes, nicht intensives Laufen, führte zwar zur Glucosaminabnahme und zu geringen Ausdünnung des Knorpels, parallel jedoch zu einer Verdünnung des subchondralen Knochens ohne Arthrose. Interessant scheint, dass Ausdauertraining mit zyklischer Belastung, eine potentiell positive Adaptierung des Gelenkknorpels zu erlauben scheint und so zu einer Adaptation der Belastbarkeit von Knorpel führen kann. Interessant war auch, dass die Regeneration von Gelenksstrukturen, insbesondere des Knorpels nach länger dauernden Rückstellungen durch übertriebene Laufbelastungen negativ beeinflusst wurden, was Hinweis gibt, nach längeren Sportpausen einen sorgsamen Wiederaufbau der Belastung durchzuführen.

Bei Sportausübung vom Menschen, ergibt sich ein ähnliches Bild in den Studien. Ein erhöhtes Arthroserisiko wurde bei Spitzenläufern festegestellt, wo vor allem hochintensive Langzeitbelastungen mit hohen Schrittfrequenzen und Tempo langfristig zur Erhöhung des Arthroserisikos führt. Interessant erscheint auch die Beobachtung, dass Spitzenathleten, obwohl sie teilweise doch vermehrt Arthrosezeichen haben, in der klinischen Symptomatik deutlich besser abscheiden, als Patienten mit ähnlichen radiologischen Arthrosezeichen, die nicht Sport betrieben haben. Für moderates und mittelmäßig intensives Training konnten verschiedene Autoren feststellen, dass kein erhöhtes Arthroserisiko vorliegt und sogar eine bessere Gelenkfunktion zu erwarten ist. Die Umfänge die hier angegeben werden, liegen ungefähr bei 5 Stunden oder 40 km / Woche, wo auch nach langjährigen (5-9 Jahren) Beobachtungen keine vermehrte Arthrose festgestellt werden konnte. In einem Konsensus-Paper von Bosomworth (2009) wurde auch festgehalten, dass moderate Sportausübung, insbesondere Laufen primär kein Arthrosefaktor ist. Spitzensportler und Eliteläufer haben zwar eine erhöhte Arthrosetendenz zu erwarten, entwickeln dabei aber meist aber weniger Beschwerden und Einschränkungen. Außerdem sind Sportarten mit Krafteinwirkungen, hohen Scherkräften und Feindeinwirkungen immer mit erhöhtem Arthroserisiko aufgrund posttraumatischer Veränderungen verbunden. In jeder Diskussion über Artroseentstehung muss jedoch auf die  zentrale Bedeutung von Übergewicht und Achsfehlstellungen als prädominanter Faktor in der Arthroseentstehung gegenüber  Sport hingewiesen werden, der sich in ihrer Kombination potenziert. Die Fortführung von Bewegungstherapie und Sport bei bereits eingetretener Arthrose erscheint mit geringen Einschränkungen der Gelenkfunktion verbunden, zusammen mit dem präventivem Effekt, der für Ausdauersportarten wie Laufen auch sportmedizinisch abgesichert ist. Neuere Studien konnten zeigen, dass moderates Training, vor allem mit isometrischen und isokinetischen Trainingsmethoden die klinische Performance von Arthrosepatienten deutlich verbessern konnten; auch bewegungsarme Patienten profitierten von strukturierten Aktivitätsprogrammen. Problematisch ist einerseits die Implementierung von nachhaltigen Präventionsprogrammen, die über die Jahre durchgeführt werden müssen und andererseits, dass es eine geringe Dosis-Wirkungs-Korrelation gibt, hinsichtlich der Effizienz von Sporttherapie. Die häufigste Komorbidität mit Arthrose ist das Übergewicht, wobei vor allem der Fettanteil entscheidend ist für die Korrelation zur Osteoarthroseinzidenz. Wenn wir nun die Faktoren der Arthroseentstehung und der möglichen Beeinflussung gegenüberstellen, können wir folgende Risikofaktoren für Ostearthrose feststellen: hinsichtlich Alter und Geschlecht sind Frauen fast doppelt so häufig betroffen wie Männer, wobei es in beiden Altersgruppen in zunehmendem Alter zur Erhöhung der Inzidenz von Arthroseveränderungen kommt. Der genetische Hintergrund erscheint mehr und mehr von Bedeutung, wobei vor diesem Hintergrund einerseits die Gelenkachsen betroffen sind, andererseits aber auch spezifische genetische Veränderungen, speziell im Kollagenstoffwechsel, mit erhöhten Arthroseraten verbunden sein können. Als gering bzw. unveränderliche Faktoren für die Krankheitsinduktion stehen Gelenktraumata und vergesellschaftete, posttraumatische Veränderungen im Vordergrund. Angeborene muskuloskeletalen Fehlanlagen und Dysplasien stellen zusammen mit  Stoffwechselerkrankungen einen weiteren Block schwer zu beeinflussender, prädispositionierender Faktoren dar. Zusätzlich müssen Erkrakungen mit rheumatischem Hintergrund in die Betrachtung eingeschlossen werden.

Demgegenüber stehen modifizierbare Risikofaktoren, angeführt  vom Übergewicht, wobei es vor allem beim BMI von über 27  ist, der zur massiven Erhöhung der Arthroseinzidenz führt.

Die physische Aktivität und Bewegungsinzidenz ist auch entscheidend mit der Ausbreitung von schmerzhaften Veränderungen des Bewegungsapparates verknüpft.  Zu beachten bleibt, dass der Arthrosegrad oft nicht mit dem Ausmaß der Schmerzsymptomatik korreliert. Koordinative Defizite und mangelnde muskuläre Sicherung im Bereich der Band- Gelenkkapsel und Sehnenansätze führen zu schmerzhaften Veränderungen, die mit Arthrose kombiniert sein können. Oft ist die Klinik des Patienten vordergründig darauf zurückzuführen und weniger arthrosebedingt.

Irreführend kann die isolierte Betrachtung von Sport sein, ohne die Belastungen aus Freizeit und Arbeit miteinzuberechenen. Denn die Kumulation davon, also die Gesamtbelastung, ist treibender Faktor für die Beurteilung des Arthroserisikos. In der Publikation von Rody und Zhang (2004) wurden evidenzbasierte Empfehlungen für die Wichtigkeit von Bewegung und Bewegungstherapie im Management der Osteoaerthrose der Hüfte und Knie im Move-Konsensus publiziert. Hier wurde festgestellt, dass die Evidenz im Zusammenhang mit Sport und Arthrose einen generell positiven Effekt gibt, und dass die spezifischen Empfehlungen zwar wirksam sind, aber es nur zu einer geringen Dosis-Wirkungs-Korrelation kommt. Insgesamt wird das Widerstandstraining im Sinne eines isometrischen Trainings empfohlen. Vordergründige Rationale für die Sportempfehlung bei Arthrose ist die Wiederhertsellung der muskulären Kraft und Koordination. Somit kann und soll der oben beschriebene circulus vitisosus unterbrochen werden. Diese Verbesserung der Gelenksfunktion führt zur Linderung des Reizzustandes und damit zu einer Schmerzensymptomlinderung, die sich auch in der Knorpelmorphologie mit einem Erhalt der Knorpeldicke verifizieren lässt. Die Sporttherapie muss in Bewegungsprogrammen durchgeführt werden(34), die zunächst physiotherapeutisch geübt und gelernt werden soll. Dringend zu empfehlen dabei ist die Erhebung des Ausgangszustandes um eine individuelle Abstimmung auf Bewegungsumfang und Intensität zu gewährleisten und Überbelastung (!) zu  vermeiden. Voraussetzung ist hier auch, wie überall im Sport, eine sportmedizinische Untersuchung, um die Sporttauglichkeit festzustellen. Letztendlich müssen die Bewegungsprogramme auch im Rahmen eines Heimtrainings durchgeführt werden. Es hat sich gezeigt, dass der Erfolg solcher Programme nur durch fixe Nachuntersuchungen und Auffrischungseinheiten erreicht werden.

 

Sportberatung bei Arthrose und Sporttauglichkeit

Die Beratung der Arthrose zielt vor allem auf Erhebung der anamnestischen Vorschädigung und Erkrankungen ab. Eine genaue Anamnese von Traumen und deren nachfolgender Behandlung mit der Erfragung der Dauer von Ruhigstellungen ist wichtig. Aber auch Erkrankungen wie Hüftdysplasien, Bindegewebs- und Stoffwechselerkrankungen müssen erfasst werden.

Nachfolgend ist eine Erhebung der Gelenkachsen sowie Gelenk- und Muskelfunktionen wichtig, um die Funktionalität des muskuloskeletalen Systems zu dokumentieren. Schmerzhafte Sensationen sind separat diagnostisch zu erfassen im Hinblick auf Reflexarthropathien. Die muskuläre Stabilisierung und damit verbundenen koordinativen Fähigkeiten können durch einfache Übungen und Tests wie den Einbeinstand erhoben werden. Bei der sportspezifischen Anamnese ist vor allem entscheidend, inwieweit die Sporttechnik vor Entstehung der Arthrose schon beherrscht wurde. Beim Neuerlernen von Sportarten mit arthrotischen Gelenken ist oft die mangelnde Koordination ein Hindernis da die schmerzhafte Blockade oder eingeschränkte Gelenkfunktionalität ein Erlernen der Bewegungen kaum möglich macht.

In Folge muss auf einfache Sportarten wie Ergometertraining oder Schwimmen ausgewichen werden muss. Besonders geeignet für Arthrosepatienten erscheinen Sportarten wie Radfahren, Wandern mit Stöcken oder Nordic Walken, Schilanglauf im klassischen Sinn oder Wassergymnastik. Speziell beim Radfahren erscheint die zyklische Bewegung in entlastender Sitzposition für die untere Extremität besonders günstig. Bei schon eingeschränkter Beweglichkeit ist vor allem das Fahrradergometer zu empfehlen, was die Koordination zum Auf- und Abstieg erleichtert. Durch das Verwenden eines Damenrades oder eines Rades mit niedrigem Holm kann das Absteigen im Gelände gut erleichtert werden. Entsprechende Gangschaltung, aber auch Wahl der Touren und Ausrüstung sind hier entscheidend für die Gelenkbelastung. Beim Nordic Walken ist die Verminderung der Belastung im Bereich der Gelenke der unteren Extremität doch etwas geringer als zunächst angenommen. Durch die Verwendung der Stöcke wird der Schritt etwas größer, somit auch teilweise der Impact höher, sodass dies nur bei gutem Beherrschen der Sportart empfohlen werden kann. Sportarten mit höherem technischem Anspruch müssen wie bereits erwähnt, schon vor der Arthroseentstehung beherrscht werden, da ein Erlernen mit Arthrose schwierig oder unmöglich ist. Zu diesen Sportarten zählen vor allem Tennis, Golf, Schilauf, Tischtennis, Segeln und Reiten. Bei entsprechender Erfahrung und Akzeptanz für das etwas eingeschränkte Leistungsniveau, können diese Sportarten durchaus weiter betrieben werden. Wichtig erscheint hier das Verwenden von gedämpften Schuhen, eventuell Gehhilfen oder beim Golfen das Verwenden des Carts. Die Modifikationen der Technik- wie beim Tennis ohne ausgeprägte Rumpfrotation oder beim Golfen unter Durchführen des Golfschwunges ohne entsprechender Körperverdrehungen und Knieausgleichsbewegung sind diese Sportarten durchaus sinnvoll. Ungeeignete Sportarten bei Arthrose sind Mannschaftssportarten oder Sportarten, die mit hohem Tempo und nicht vorhersehbarem Richtungswechsel oder Feindeinwirkung verbunden sind. Hier sind Squash, Trampolinspringen, Basketball, Handball, Fußball oder auch Disziplinen wie Gewicht heben und Leichtathletische Disziplinen anzuführen.

 

Arthroseprävention

Als Prinzip der Arthroseprävention können zyklische Belastung und Bewegung  als zentraler Faktor genannt werden. Zyklische Belastungen erhalten die Funktionalität von Knorpel und Gelenk insbesondere durch die dadurch gute Ernährung der Knorpelzellen durch Diffusion. Um diesen Effekt optimal nutzen zu können, müssen diese Bewegungen allerdings bei möglichst minimierter Beasltung und Krafteinwirkung ausgeführt werden. Daher stellt Radfahren eine sehr geeignte präventive Intervention dar. Die dadurch gesetzten Maßnahmen können verhindern, dass Reizzustände entstehen, die über Induktion des entzündlichen Zustandes den Knorpel nachhaltig schädigen. Tritt dennoch ein Reizzustand auf, ist sofort ein passageres Sportverbot  einzuhalten und eine  antiinflammatorische Therapie einzuleiten. Ein solcher Reizzustand stellt den einzigen wirklichen Grund eines Sportverbots bei Arthrose dar. Die Verletzungsprophylaxe stellt neben zahlreichen anderen Maßnahmen bestimmt eine weitere Säule der Arthroseprävention dar. Die Unterstützung mit Chondroprotektiva kann sinnvoll sein, sollte aber nur als flankierende Maßnahme gesetzt werden. Zuletzt bleibt die Akzeptanz des Sportlers für bestehende arthrotische Veränderungen und die Wahl von Sportarten, die der eingeschränkten Belastbarkeit gerecht werden. Diese psychologische Komponente ist im Therapie- und Betreuungskonzept gleichberechtigt mit den anderen Interventionen umzusetzen. Bei Berücksichtigung dieser Regeln kann durchaus auch bei Vorliegen  arthrotischer Veränderungen noch befriedigend Bewegung und Sport durchgeführt werden, was im Altersgang ein wesentlicher Beitrag zur Lebensqualität ist.

 

Zusammenfassung

Arthrose – die Degeneration von Gelenken – ist ein weit verbreitetes Problem durch alle Bevölkerungsschichten, das im zunehmenden Alter vermehrt auftritt. 70-80% der über 70jährigen zeigen Zeichen einer Gelenksdegeneration, davon sind ungefähr 10-30% symptomatisch. Sport zieht sich als Phänomen ebenfalls durch alle Altersgruppen, ist mit hohen Gelenkbelastungen verbunden und stellt damit eine hohe Herausforderung an degenerativ veränderte Gelenksstrukturen dar. Die Fragestellung der Arthroseentstehung generell und gekoppelt mit dem Problem der Sportausübung, ist natürlich eine wichtige Frage im sportmedizinischen Bereich. Der Sportmediziner beschäftigt sich mit Themen, ob Arthrose durch Sport induziert wird und inwieweit Sport und Arthrose noch kompatibel sind. Belastungen im Spitzensport bei gelenkbelastenden Sportarten gehen häufiger mit Arthroseenstehung einher, moderate Trainingsformen mit mittlerer Intensität können sogar günstige Auswirkungen auf die Knorpeladaptation haben;  sporttherapeutische Ansätze zeigen, dass Sport und Bewegung auch ein wichtiges Mittel gegen Arthrose bzw. in der Arthroseprävention sein können.


DIE AUTOREN

Dr. Markus Neubauer, Donau-Universität Krems, Zentrum für Regenerative Medizin /

Universitätsklinikum Krems, Abteilung für Orthopädie / markus.neubauer@donau-uni.ac.at

Univ.- Prof. Dr. Stefan Nehrer ist Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie und Leiter des Zentrum für Regenerative Medizin, sowie des Departments für Gesundheitswissenschaften, Medizin und Forschung an der Donau Universität Krems, wo er auch die Professur für Tissue Engineering innehat. Neben seiner universitären Laufbahn ist Stefan Nehrer am Universitätsklinikum Krems an der orthopädischen Abteilung, mit Schwerpunkt Sportorthopädie und Knorpelchirurgie tätig.

 

 

Zentrum für Regenerative Medizin, Donau-Universität Krems, Dr. Karl-Dorrek-Str. 30, A-3500 Krems

 Universitätsklinikum Krems, Abteilung für Orthopädie, Mitterweg 10, A-3500 Krems