Die SLAP-Läsion (Superior Labrum Anterior to Posterior) ist eine häufige Schulterverletzung bei Tennisspielern, die durch die wiederholten, kraftvollen Überkopfbewegungen und die hohen Belastungen des Schultergelenks bei Schlagbewegungen begünstigt wird. Die Verletzung betrifft die obere Gelenklippe (Labrum), eine faserknorpelige Struktur, die zur Stabilisierung des Schultergelenkes beiträgt. Besonders bei Profi- und leistungsorientierten Freizeitsportlern stellt die SLAP-Läsion eine ernsthafte Herausforderung dar, da sie die Leistung und Match Performance stark beeinträchtigen kann.
Anatomie/ biomechanische Verletzungsmechanismen:
Das Labrum ist eine faserknorpelige Struktur, welche zur relativen Erhöhung der Glenoidtiefe (Gelenkpfanne) beiträgt und so den Humeruskopf stabilisiert. Gleichsam dient die apikale Labrumpartie als ein Ansatzpunkt der langen Bizepssehne (LBS), welche intraartikulär verläuft und eine Zentrierung des Humeruskopfes insbesondere bei Überkopfbewegungen unterstützt.
Die Hauptursache für eine SLAP-Läsion bei Tennisspielern ist in der biomechanischen Belastung der Schulter beim Spiel zu suchen. Bewegungen beim Aufschlag und Überkopfschlägen erzeugen extreme Rotations- und Scherkräfte im Schultergelenk, welche Labrum und LBS belasten (repetitive Mikrotraumata).
Zu den spezifischen Mechanismen gehören:
- Peel-back-Mechanismus: Während der Endphase des Ausholens beim Aufschlag (forcierte Außenrotation) wird die LBS nach hinten gezogen, wodurch es durch Zugkräfte zur glenoidalen Abhebung des Labrums kommen kann.
- Tensile Loading Mechanismus: Übermäßige Zugkräfte der Rotatorenmanschette und LBS z.B. im Rahmen eines Volleys, ausgelöst durch schlagartige Muskelkontraktionen
- Akute Traumata: Missed Hits oder ein Sturz auf den ausgestreckten Arm
Klassifikation:
Zur Unterscheidung der verschiedenen Ausprägungen hat sich bis heute die 1990 veröffentliche Snyder Klassifikation etabliert. Unterschieden werden dabei 4 Typen.
Beim Typ 1 zeigen sich degenerative Veränderungen oder Fransenbildung des oberen Labrums ohne Ablösung (häufig bei älteren Sportlern anzutreffen). Der häufigste und klinisch relevanteste Typ 2, beschreibt eine Ablösung des Labrums im Bereich der Ansatzstelle der LBS. Eine Typ 3 Läsion zeigt einen Korbhenkelriss des oberen Labrums, der Bizepsanker zeigt sich unterdessen intakt. Bei einer Typ 4 Läsion ist eine ergänzende Affektion der LBS vorzufinden. (siehe unten)
Abbildung 1: Snyder Classification[4]
Symptomatik und Diagnosefindung:
Die klinische Symptomatik in einem sportlichen Kontext ist geprägt von Schmerzen bei Überkopfbewegungen (z.B. Aufschlag), sowie gegebenenfalls mit einem Gefühl der Instabilität bei beobachtetem Knacken oder Klicken in der Schulter, was sich insgesamt in einem Rückgang der Schlagkraft äußern kann.
Zur Diagnosefindung stehen verschiedene Test wie der Speed Test oder O´Brien Test zur Verfügung, welche sich jedoch häufig als unspezifisch. Beim klinischen Verdacht sollte die Diagnostik daher, wenn möglich um eine MRT Darstellung (ggf. mit Kontrastmittel) oder eine Arthrosonographie ergänzt werden.
Therapie und Return to sports:
Die Therapie einer symptomatischen SLAP Läsion richtet sich nach Läsionstyp, sowie den individuellen Bedürfnissen und Begleitfaktoren des Patienten.
Primäre, konservative Therapieansätze umfassen neben einer Schmerztherapie (NSAR) eine physiotherapeutische Stärkung der Schulterstabilität durch muskuläre Kräftigung, sowie ggf. die Behandlung einer begünstigenden Skapuladyskinesie. Ergänzend stehen Injektionsverfahren (z.B. platelet rich plasma (PRP)) zur Verfügung.
Bei Ausbleiben einer ausreichenden Beschwerdebesserung sollte mit dem Patienten die Option einer operativen Intervention mittels Schulterarthroskopie diskutiert werden. Grundsätzlich werden hierbei ein Labrumrepair (Refixation) von Verfahren mit Tenodese oder Tenotomie der LBS, welche eine Veränderung der Biomechanik bedeuten und an Anpassungsvorgänge beim Spiel geknüpft sind, unterschieden.
Die Phasen der Rehabiliation beinhalten eine Frühphase in der Schmerzkontrolle und die passive Mobilisation des Schultergelenkes im Vordergrund stehen, sowie eine Aufbauphase zur Kräftigung der stabilisierenden Muskulatur und Verbesserung der Schulterkinematik.
In der Rückkehrphase kommt es dann zu einer graduellen Wiedereinführung von Tennistechniken (Schlagbewegungen) zunächst in geführter Form.
Prognose:
Die Prognose einer SLAP-Läsion hängt vom Typ der Verletzung, dem Behandlungsansatz und einer konsequenten Rehabilitation ab. Bei Typ 1 Läsionen ist ein Return to play oft innerhalb weniger Wochen möglich. Bei operativ behandelten Läsionen v.A Typ II-IV kann die Rückkehr zum vollen Leistungsniveau oft mehrere Monate in Anspruch nehmen, ist jedoch bei konsequenter und richtiger Nachbehandlung grundsätzlich als realistisch einzustufen.
DIE AUTOREN:
Dr. med. Erik Portegys ist Assistenzarzt in der Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastisch-Ästhetische Chirurgie der Uniklinik Köln, sowie Absolvent eines in-residency Fellowship im Bereich Schulterchirurgie und Sportmedizin des Centro Hospitalar Universitário de Santo António Porto, Portugal
Priv.-Doz. Dr. med. Tim Leschinger ist als Leitender Oberarzt in der Klinik und Poliklinik für Orthopädie, Unfallchirurgie und Plastisch-Ästhetische Chirurgie der Uniklinik Köln tätig. Seinen Forschungsschwerpunkt hat er mit über 150 wissenschaftlichen Artikeln/Buchbeiträgen (darunter eine Reihe tennisspezifischer Berichte) primär im Bereich der oberen Extremität und Sporttraumatologie. Leschinger war selbst viele Jahre Jugendkaderspieler des Tennis-Verbandes.