Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin

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Die Syndesmose

Sehr geehrte Damen und Herren,

über Verletzungen der Syndesmose wird insbesondere im Profifußball zunehmend häufig berichtet. Das gilt verstärkt seit dem WM-Aus von Marco Reus, der sich im vergangenen Jahr unmittelbar vor der Weltmeisterschaft in Brasilien verletzt hat. Was die Verletzung der Syndesmose des oberen Sprunggelenkes bedeutet, welche Möglichkeiten der Behandlung es gibt und warum vor allem im Leistungssport konträr über ein konservatives oder operatives Vorgehen diskutiert wird, beleuchtet dieser Newsletter.

Herzliche Grüße,
Ihr Andreas Bellinger (presse@gots.org)


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Die Syndesmose

“Ballacks Verletzung fatal für die Stabilität“ titelte die “Frankfurter Allgemeine Zeitung“ kurz vor der Weltmeisterschaft 2010 und Fußball-Deutschland sorgte sich um den „Fuß der Nation“. Spätestens seit dem WM-Aus von Marco Reus, der aus dem gleichen Grund vier Jahre später auf die WM in Brasilien verzichten musste, ist die Aufmerksamkeit für die Verletzung der Syndesmose des oberen Sprunggelenkes enorm gestiegen. Dabei wird vor allem im Leistungssport konträr über ein konservatives oder operatives Vorgehen diskutiert. 

Wie häufig sind Verletzungen der Syndesmose im Sport?

Sprunggelenkverletzungen sind sowohl im Sport als auch im Alltag sehr häufig. In den meisten Fällen ist der laterale Kapsel-Band-Komplex mit dem Lig. fibulo-talare anterius (LFTA) und dem Lig. fibulocalcaneare (LFC) betroffen. Man spricht von einem Bänderriss. Die Syndesmose ist aufgrund des Bewegungs-, Belastungs- und Anforderungsprofil besonders im Hockey und Fußball gefährdet. Generell muss man zwischen einer kompletten Verletzung des Syndesmosenkomplexes mit einer höhergradigen Instabilität und partiellen Schädigung beispielsweise der vorderen unteren Syndesmose (Lig. tibio-fibulare anterius) mit oder ohne Beteiligung des interossären – also zwischen den Knochen befindlichen – Bandanteils unterscheiden.

Die isolierte Verletzung der Syndesmose des oberen Sprunggelenkes im Rahmen eines Verdreh- oder Umknicktraumas ist selten. Sie kann leicht übersehen werden oder als Sprunggelenkdistorsion bzw. laterale Band-Kapselruptur fehlinterpretiert werden. Der in der Literatur zitierte Anteil an Syndesmosenverletzungen von 1–11% bezogen auf Sprunggvelenksdistorsionen ist stark abhängig vom untersuchten Patientenkollektiv (Clanton 2002, Lin 2006, Mak 2013). In entsprechenden Athletenkollektiven können es auch 12-32% sein (Waterman 2011, Press 2009).

Grundlage

Syndesmosenverletzungen sind problematische Verletzungen des oberen Sprunggelenkes. Sie stehen hinsichtlich der Stabilitätseinschätzung sowie der Frage einer konservativen oder operativen Behandlung weiterhin in der Diskussion. Grundlage für das Verständnis der Verletzung und der sich ergebenden Behandlungsoptionen sind die Anatomie und die Biomechanik. Die Syndesmose kann in drei Etagen/Höhen eingeteilt werden: Die proximale tibiofibulare Syndesmose (Höhe Wadenbeinkopf), Membrana interossea cruris (langstreckig zwischen Schien- und Wadenbein) und die distale Syndesmose (Höhe Sprunggelenk).

Wird über  Syndesmosenverletzungen gesprochen, ist typischerweise die distale Syndesmose gemeint; die sprunggelenksnahe kräftige Bandverbindung zwischen Schien- und Wadenbein (Tibia und Fibula). Tibia und Fibula bilden distal das obere Sprunggelenk in Form der Sprunggelenksgabel. In dieser Gabel ist das Sprungbein (Talus) eingefasst. Die Bandstrukturen der Syndesmose stabilisieren diese Gabel. Bei Betrachtung der  anatomischen Struktur der sprunggelenksnahen Syndesmose können im wesentlichen vier Bandanteile unterschieden werden:

– Lig. tibiofibulare anterius (LTFA) –  vorderer Bandanteil
– Lig. tibiofibulare interosseum (LTFI) – Bandanteil zwischen den Knochen
– Lig. tibiofibulare posterius (LTFP) – hinterer Bandanteil
– Membranan interossea – langsstreckige, dünne Membran zwischen Schien- und Wadenbein

(Abb. 1 und  Abb. 2):


Abb. 1: Transversalschnitt des oberen Sprunggelenkes in Höhe der Syndesmose. Schematischer Verlauf des Lig. tibiofibulare anterius (LTFA), Lig. tibiofibulare interosseum (LTFI) und Lig. tibiofibulare posterius (LTFP)

Transversalschnitt3

Abb. 2: a/p-Ansicht auf des obere Sprungelenk mit schematischer Darstellung des Verlaufs der distalen Syndesmose, der Membrana interossea und des Innenbandes (Lig. deltoideum)
In der akuten Traumatologie sind Verletzungen der Syndesmose oft verbunden mit Sprunggelenksfrakturen, während in der Sporttraumatologie häufig isolierte, teils partielle Syndesmosenverletzungen zu finden sind. Sprunggelenksinstabilitäten führen – neben den zu erwartenden Funktionsbeschwerden – zu einer frühzeitigen Arthrose des oberen Sprunggelenks. Bereits 1976 konnte Ramsey zeigen, dass ein „Shift“ von lediglich 1 mm die Kontaktfläche zwischen Schienbein und Sprungbein um etwa 42% verringert (Ramsey 1976). Da über 13 % der Arthrosen des oberen Sprunggelenks auf ligamentäre Instabilitäten zurückzuführen sind (Valderrabano 2006), kommt der adäquaten Diagnostik und Behandlung dieser Verletzungen eine besondere Bedeutung zu.

In Kadaver-Untersuchungen mit stufenweiser Durchtrennung der einzelnen Bandanteile wurde versucht den Beitrag des jeweiligen Bandanschnitts zur Stabilität der Sprunggelenksgabel zu ermitteln (Ogilvie-Harris 1994) :
– 35.5% LTFA (anterior)
– 32.7% LTFP (posterior)
– 8.7% LFTT (transvers)
– 21.6% LTFI (interosseum)

Bei einer Syndesmosenverletzung kommt es zum Riss- oder Teilriss eines oder mehrerer dieser Bandanteile. Die isolierte Verletzung des vorderen Anteils der distalen Syndesmose (LTFA) führt nicht zwangsläufig zu einer Instabilität (Beuner 2006).

Diagnostik

Eine Vielzahl von Studien hat gezeigt (McCollum 2013), dass die verschiedenen klinischen Tests einen Verletzungsverdacht erhärten können. Eine genauere Aussage über den Instabilitätsgrad, insbesondere bei Partialrupturen, lassen sie jedoch kaum zu. Die klassischen klinischen Tests zur Evaluation einer Instabilität der Syndesmose sind:
– Frick-Test
– distale tibiofibulare Kompressionstest (Squeeze-Test)
– Cross-leg-Test
– Fibulatranslationstest

Ein kompletter Riss der Syndesmose führt zum Auseinanderweichen der Sprunggelenksgabel und das Sprungbein kann nicht mehr sicher geführt werden. Ein Auseinanderweichen von Fibula und Tibia (Diastase) von mehr als 6 mm 1 cm oberhalb des Sprunggelenkspalts in der nativradiologischen Mortise-View gilt als radiologisches Instabilitätskriterium (McCollum 2013). Aber das nativradiologische Bild ist bei sportassoziierten Partialverletzungen der Syndesmose meist nicht besonders aussagekräftig, weil deutliche Instabilitätszeichen meist fehlen.

Bei der Diagnose der Syndesmosenverletzung spielt das Magnetresonanztomogramm (MRT) mit einer Sensitivität von 100% und Spezifität von 93% eine zentrale Rolle. Eine Aussage über versorgungsrelevante Instabilitäten ist aber auch im (statischen) MRT nicht immer möglich. Eine dynamische Untersuchung der Syndesmose mit Hilfe des Ultraschalls kann als zusätzliches Diagnostikum dienen. Die Methode gilt jedoch als wenig sicher und objektivierbar. Eine Arthroskopie des oberen Sprunggelenks in Kombination mit der MRT-morphologischen Darstellung einer  Syndesmosenverletzung scheint aus heutiger Sicht ein zuverlässiges Diagnostikum zur Detektion versorgungsrelevanter Syndesmoseninstabilitäten zu sein. Aus pragmatischen Gründen empfiehlt sich eine einfache Einteilung in: Zerrung (ohne Instabilität), Partialruptur (leichte Instabilität) und Komplettruptur (Instabilität).

Behandlung:

Abb 3: Plättchen-Faden-System (TightRope®, Fa. Arthrex) zur Stabilisierung der Sprunggelenksgabel bei instabiler Syndesmosenverletzung

Über die Autoren

Dr. Casper Grim ist Leitender Oberarzt an der Klinik für Orthopädie, Unfall- und Handchirurgie des Klinikums Osnabrück. Er ist Verbandsarzt beim Deutschen Ringer-Bund (DRB) und betreute als Mannschaftsarzt im vergangenen Herbst zum zweiten Mal das deutsche Team bei den Olympischen Jugendspielen. Prof. Martin Engelhardt ist Chefarzt der Klinik für Orthopädie, Unfall- und Handchirurgie des Klinikums Osnabrück, Mitglied der Medizinischen Expertenkommission des DOSB, Präsident der Deutschen Triathlon-Union (DTU) und Past-Präsident der GOTS.

Literatur

– Clanton TO, Paul P. Syndesmosis injuries in athletes. Foot Ankle Clin N Am. 2002;7(3):529–549.
– Best R, Mauch F, Bauer G. Evidence for treatment of acute syndesmosis injuries in sports. Unfallchirurg. 2013 Jun;116(6):504-11. doi: 10.1007/s00113-013-2374-5.
– Beumer A, Valstar ER, Garling EH, Niesing R, Ginai AZ, Ranstam J, Swierstra BA. Effects of ligament sectioning on the kinematics of the distal tibiofibularsyndesmosis: a radiostereometric study of 10
cadaveric specimens based on presumed trauma mechanisms with suggestions for treatment.
Acta Orthop. 2006 Jun;77(3):531-40.
– Lin CF, Gross MT, Weinhold P. Ankle syndesmosis injuries: anatomy, biomechanics, mechanism of
injury, and clinical guidelines for diagnosis and intervention. J Orthop Sports Phys Ther.
006;36(6): 372–384.
– Mak MF, Gartner L, Pearce CJ. Management of syndesmosis injuries in the elite athlete.
Foot Ankle Clin N Am. 2013;18(2):195–214.
– McCollum GA, van den Bekerom MP, Kerkhoffs GM, Calder JD, van Dijk CN Syndesmosis and deltoid ligament injuries in the athlete. Knee Surg Sports Traumatol Arthroscopy.2013 Jun;21(6):1328-37. doi: 10.1007/s00167-012-2205-1. Epub 2012 Oct 7.
– Ogilvie-Harris DJ, Reed SC, Hedman TP. Disruption of the ankle syndesmosis: biomechanical study
of the ligamentous restraints. Arthroscopy. 1994;10(5):558–560.
– PressCM, GuptaA, HutchinsonMR.Management of ankle syndesmosis injuries in the athlete.
Curr Sports Med Rep. 2009;8(5):228–233.
– Porter DA. Evaluation and treatment of ankle syndesmosis injuries. Instructional Course Lectures. 2009;58:575–581.
– Ramsey PL, Hamilton W. Changes in tibiotalar area of contact caused by lateral talar shift.
J Bone Joint Surg. 1976;58(3):356–357.
– Valderrabano, V., et al., Ligamentous posttraumatic ankle osteoarthritis. Am J Sports Med,
2006. 34(4): p. 612-20.
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