GOTS-Kongress 2003: Wissenschaft und Fortbildung im Zeitalter leerer Kassen
Der diesjährige GOTS-Kongress beschäftigt sich mit wichtigen sportorthopädischen und –traumatologischen Schwerpunkten auf operativem und konservativem Gebiet. Im Umfeld des Kongresses werden viele gesundheitspolitische Aspekte insbesondere bei den niedergelassenen Kollegen diskutiert werden.
Die bildgebenden Verfahren sind ein Kernpunkt der täglichen Arbeit und ein Schwerpunkt des Kongresses am Samstag. Professor Franz Kainberger aus Wien, ein sehr erfahrener Radiologe mit Schwerpunkt Orthopädie und Traumatologie, wird berichten, wie sich durch Neuentwicklungen ständig die Möglichkeiten und Grenzen der Bildgebung verändern. Die Indikation zu MRT, CT und Szintigraphie, die Sonographie in der Sporttraumatologie und der Stellenwert des Nativröntgenbildes stehen in der Diskussion – letzteres vor allem bei der Bundesgesundheitsministerin. Ob das Einsparen von Nativröntgenaufnahmen („Es wird zu viel geröntgt in Deutschland.“) die Löcher im Gesundheitssystem kleiner werden lässt, ist zu bezweifeln.
Der Sportschuh als weiterer Kongress-Schwerpunkt wird vor allem von der Industrie ständig neu entdeckt. Sportarzt und der Sportler werden „überrannt“ von Neuentwicklungen, und Verbesserungen, die es zu bewerten gilt. Die Tatsache der ständig zunehmenden Zahl von laufinduzierten Überlastungsschäden ist nicht nur auf die steigende Zahl der Sportler, sondern möglicherweise auch auf den Gebrauch von falschen oder nicht mehr verwendbaren weil kaputten Laufschuhen zurückzuführen. Gleichzeitig darf die Empfehlung und Beratung für die Sportschuhe nicht allein den Schuh- und Sportgeschäften überlassen werden, da hier nicht immer die Interessen des Sportlers Priorität genießen. Die Sportmediziner müssen hier ihre Kompetenz ständig erneuern, um ihre Patienten korrekt zu informieren. Hierzu bieten die Vorträge von Professor Benno Nigg aus Calgary und Professor Gert-Peter Brüggemann aus Köln eine hervorragende Möglichkeit.
Die Therapie der Knorpelschäden ist ein zentrales Problem der Sportorthopädie und nimmt immer mehr Platz in der operativen, aber auch konservativen Behandlung ein. Es muss hier exakt unterschieden werden zwischen umschriebenen, meist traumatischen Knorpeldefekten, die durchaus operativ erfolgreich behandelt werden können und den degenerativen Knorpelschäden, der Arthrose, die operativ nicht kausal therapiert werden können. Die Sitzung zur Kongresseröffnung wird diesen wissenschaftlichen Schwerpunkt ausführlich behandeln. Neue Aspekte der Matrix-assoziierten Knorpelzelltransplantation werden von Professor Stefan Nehrer aus Wien dargestellt.
Bei der Behandlung von Knorpelschäden zeigen sich auch einige Kernprobleme in der täglichen Praxis des operativ und konservativ tätigen Sportorthopäden:
- Die modernsten und qualitativ hochwertigen operativen Therapieverfahren können nur durch Fachärzte angewendet werden, die eine entsprechende Ausbildung haben, die sich durch Kongresse und Seminare sowie Schulungen der operativen Techniken weiterbilden. Deswegen können diese extrem spezialisierten Leistungen bald nicht mehr für Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen erbracht werden, wenn – wie derzeit zu beobachten – die Vergütung ständig sinkt und die Implantate, die für diese Techniken erforderlich sind, von den Kassen nicht bezahlt werden. Die fachärztliche, vom Patienten gewünschte Maximalversorgung bei Sportverletzungen ist weder durch einen hausärztlichen Lotsen noch durch „Billigverträge“ mit einzelnen Krankenkassen zu erhalten. Lediglich durch eine adäquate Vergütung können diese hochspezialisierten Leistungen weiter erbracht werden.
- Die in der Rehabilitation nach operativen Knorpeleingriffen zum Beispiel am Kniegelenk notwendige Behandlung mit einer sogenannten Motorschiene zur kontinuierlichen passiven Bewegungstherapie (CPM) wird von den gesetzlichen Krankenkassen nicht mehr erstattet. Eine operative Maximaltherapie mit hohen Krankenhauskosten wird durch die unzureichende Nachbehandlung ad absurdum geführt.
- Die nach einem komplexen operativen Gelenkeingriff bei z.B. Kreuzbandrupturen in den letzten Jahren durchgeführte ambulante Rehabilitationsmaßnahme wurde ebenfalls durch die Krankenkassen abgeschafft und durch Kurzbehandlungen nach dem sogenannten „Heilmittelkatalog“ beim Physiotherapeut ersetzt. Die Folgen der verlängerten Arbeitsunfähigkeitszeiten und die potentielle Gefahr von Re-Eingriffen wegen Bewegungseinschränkungen sind sozioökonomisch noch gar nicht absehbar.
Diese gesundheitspolitischen Fehlentwicklungen erschweren es zunehmend, die medizinisch machbaren und guten operativen wie konservativen Neuentwicklungen, aber auch die etablierten Verfahren bei denen einzusetzen, bei denen sie erforderlich wären.
Dennoch ist im Kongress-Programm kein Platz für Resignation. Der fachliche und zukunftsorientierte interdisziplinäre wissenschaftliche Austausch und die Weiterbildung junger Kollegen ist eines der Ziele der GOTS. Deswegen verleiht die GOTS zusammen mit der Firma Orthotech auch dieses Jahr wieder den mit 7.500 € dotierten Michael Jäger-Preis an innovative sportmedizinisch arbeitende junge Wissenschaftler und bietet zum zweiten Mal Instruktionskurse an, diesmal über die Themen Rotatorenmanschettenruptur und kniegelenksnahe Osteotomien .
Der 18. Jahreskongress der GOTS ist der größte sportorthopädisch–traumatologische Kongress Deutschlands, und auch in den Zeiten leerer Kassen lohnt sich die Teilnahme.
Dr. Michael Krüger- Franke
Orthopädische Gemeinschaftspraxis Nordbad
Schleißheimer Straße 130
80797 München
20. Juni 2003