GOTS – Pressenewsletter 20.12.2010
Sehr geehrte Damen und Herren,
das Krafttraining im Fitness-Studio ist gerade in den Wintermonaten besonders beliebt. Wie sich das Bodybuilding aus orthopädisch-traumatologischer Sicht darstellt, lesen Sie in diesem Newsletter.
Mit freundlichen Grüßen,
Frank Wechsel und Dr. Wolfgang Schillings, GOTS-Pressesprecher
Verletzungen beim Bodybuilding
Bodybuilding gehört zu den beliebtesten Fitness-Sportarten. In Deutschland trainieren über fünf Millionen Begeisterte aller Altersklassen zumeist in kommerziellen Fitness-Studios. Dem leistungsorientierten Bodybuilding gehen dabei etwa zehn Prozent der Trainierenden nach.
Grundlage des Bodybuildings bildet das Krafttraining mit dem Ziel der Ausbildung eines muskulösen, proportionierten Körpers bei gleichzeitig geringem Körperfettanteil. Im Wettkampf ist Bodybuilding eine Präsentationssportart, die in verschiedene Gewichtsklassen eingeteilt ist. Gewertet werden zwei bis vier verschiedene Runden. Dem Line-up folgen die sieben Pflicht-Posen mit direkten Vergleichen, danach die Posing-Kür und das Finale ebenfalls wieder mit Vergleichsposen. Neben dem klassischen Bodybuilding erfreuen sich besonders auch die neu eingeführten verschiedenen Fitness-Klassen großer Beliebtheit. Die Wertungskriterien berücksichtigen hier weniger die Muskelmasse. Neben dem Krafttraining ist besonders die Ernährung für den Erfolg entscheidend. Die positiven Effekte des Bodybuildings sind vielfach belegt und das Risiko von Verletzungen ist insgesamt gering.
Akute Verletzungen
Zerrungen und Sehnenansatzreizungen sind in der Praxis häufige Verletzungen, die jedoch in der Regel keine ärztliche Konsultation nach sich ziehen. Sie treten besonders im Schulter-Arm-Bereich und kniegelenksnah auf. Als Ursache kommen schwere Belastungen und plötzliche oder ruckartige Bewegungen während der Übungen in Betracht. Neben der Überlastung entstehen Verletzungen aber auch durch Belastung einer ungenügend vorbereiteten Muskulatur. Ein gründliches Aufwärmen und besonders Warmhalten der belasteten Muskulatur sind hierbei genauso wichtig wie die Wahl geeigneter Gewichte und die richtige Trainingstechnik. Durch diese Maßnahmen sind die meisten Verletzungen vermeidbar. Eine Trainingspause ist im Vergleich zu vielen anderen Sportarten nicht zwingend, da man häufig gut „um die verletzte Struktur herum“ trainieren kann. Bei deutlichen oder anhaltenden Beschwerden ist jedoch eine ärztliche Abklärung ratsam.
Muskel- und Sehnenrisse treten fast ausschließlich im Leistungsbereich auf. Die häufigsten Verletzungen betreffen hier den Pectoralis major, die distale Bicepssehne, den Triceps und den Quadriceps. Der Riss des Pectoralis major und der Riss der Tricepssehne sind dabei typische Verletzungen, die kaum in einer anderen Sportart vorkommen. Eine möglichst frühe operative Therapie ist bei solchen Verletzungen anzustreben, da sekundäre Rekonstruktionen deutlich schlechtere Aussichten haben. Insbesondere die Diagnostik sollte hier nicht verzögert werden, denn das tatsächliche Ausmaß der Verletzung wird häufig verkannt.
Chronische Verletzungen
Auch die chronischen Verletzungen sind besonders im Schulter-Arm-Bereich und am Kniegelenk lokalisiert. Die chronischen Sehnenansatzreizungen sind die häufigsten Diagnosen. Das Subacromialsyndrom des Bodybuilders scheint multifaktoriell und besonders durch Übungen in Abduktion und Außenrotation getriggert. Insbesondere Übungen wie das Nackendrücken hinter dem Kopf, das Lat-Ziehen in den Nacken, Überzüge und so genannte Fliegende produzieren zudem Mikroinstabilitäten, die lange unbemerkt bleiben und schließlich zum Instabiltätsimpingement führen können. Auch degenerative SLAP-Läsionen entstehen durch den gleichen Verletzungsmechanismus. Mit zunehmendem Alter der Athleten werden auch Rupturen der Rotatorenmanschette und der langen Bicepssehne beobachtet. Das Schultereckgelenk reagiert auch bereits bei noch jungen Athleten mit Reizungen, die zur Arthrose oder zur atraumatischen Osteolyse der lateralen Klavikula führen können. Letzteres stellt eine typische Verletzung im Bodybuilding dar.
Die peripatellaren Tendopathien sind neben dem femuropatellaren Schmerzsyndrom häufige Überlastungsschäden. Weibliche Athleten sind hierbei von Kniegelenksbeschwerden häufiger betroffen. Durch die falsche weite Rücklagerung des Körperschwerpunktes gegenüber der Kniegelenksachse kommt es besonders bei Kniebeugen in der Maschine und der Multipresse zu erheblichen Belastungen des retropatellaren Gleitlagers. Durch eine korrekte Trainingstechnik ist diese zumindest deutlich reduzierbar.
Die häufigsten Probleme an der Wirbelsäule sind muskuläre Überlastungssyndrome, Blockierungen sowie Facettensyndrome. Relevante Verletzungen oder höhergradige Osteochondrosen bilden die Ausnahme. Auch hier sind wieder verschiedene Übungen mit Hyperlordisierung oder langem Hebel bei falscher Trainingstechnik für die Beschwerden verantwortlich. Arthrosen sind selten und die auslösende Ursache ist letztlich nicht immer klar. Die Femuropatellargelenksarthosen sind häufig anlagebedingt. Bei ausschließlich im Leistungssport vorkommenden Omarthrosen bei teilweise sehr jungen Athleten ist die Genese unklar, aber wohl im Kraftsport zu suchen.
Das Verletzungsrisiko im Bodybuilding ist insgesamt gering. Allgemein gilt, dass die Weichteilverletzungen mit 2/3 im Vordergrund stehen und die obere Extremität häufiger als die untere Extremität betroffen ist.
Spezielle Rolle des betreuenden Arztes
Im Vordergrund der ärztlichen Betreuung eines Bodybuilders steht die adäquate Behandlung von Verletzungen. Da es sich um eine nicht olympische Sportart handelt, stehen keine Kaderstrukturen zur Verfügung. Im Leistungssport Bodybuilding gelten dieselben orthopädischen und internistischen Kontraindikationen wie bei anderen Kraftsportarten.
Tabelle 1: Die häufigsten Verletzungen beim Bodybuilding
(Ritsch 2005, n=600)
Verletzungsart | Fälle (n) | Häufigkeit (%) |
---|---|---|
Rotatorenmanschetten-Tendopathie | 69 | 11,5 |
Epicondylitis humeri radialis | 42 | 7,0 |
Femoropatellares Schmerzsyndron | 36 | 6,0 |
Patellaspitzensyndrom | 27 | 4,5 |
Trizepstendinose | 26 | 4,3 |
ACG-Reizung | 24 | 4,0 |
Instabilitäts-Impingement | 23 | 3,8 |
Muskuläres LWS-Syndrom | 21 | 3,5 |
Pectoralis-major-Ruptur | 17 | 2,8 |
Quadrizeps-Insertionstendinose | 16 | 2,7 |
Distale Bizepssehnen-Tendinose | 16 | 2,7 |
Osteolyse der lateralen Klavikula | 15 | 2,5 |
Tabelle 2: Verletzungsprofil im Bodybuilding
(Ritsch 2005, n=600)
Betroffene Struktur | Häufigkeit (%) |
---|---|
Schulter | 38 |
Ellenbogen | 18 |
Knie | 16 |
Wirbelsäule | 16 |
Becken | 5 |
Hand | 3 |
Oberschenkel | 3 |
Fuß | 1 |
Checkliste: Empfehlungen zur Prophylaxe
- Korrekte Trainingstechnik
- Angepasste Belastung
- Funktionelle und risikoarme Trainingsprinzipien
- Aufwärmen vor und Warmhalten beim Training
- Entsprechende Ausrüstung und Kleidung
- Schmerzfreies Training
- Umsicht im Umgang mit den Trainingsgeräten
- Betreuung durch qualifizierte Trainer
- Begleitendes Ausdauer- und Beweglichkeitstraining
- Ausreichende Erholung und Regeneration
- Adäquate ärztliche Betreuung
Autor: Mathias Ritsch, Facharzt für Orthopädie in fachübergreifender Praxisgemeinschaft für Orthopädie, physikalische Medizin und Rehabilitation im Ärztehaus Rosenheim, ist Verbandsarzt des DBFV, BVDK und GOTS-Mitglied