GOTS – Pressenewsletter 28.09.2010
Sehr geehrte Damen und Herren,
die besten Nationalmannschaften im Volleyball suchen derzeit in Italien ihre Weltmeister. In kaum einer anderen Ballsportart werden höhere Anforderungen an die Athleten gestellt als beim Volleyball – über die häufigsten Verletzungen und deren Vorbeugung lesen Sie in diesem Newsletter.
Mit freundlichen Grüßen,
Frank Wechsel und Dr. Wolfgang Schillings, GOTS-Pressesprecher
Verletzungen beim Volleyball
Volleyball ist eine der populärsten Ballsportarten weltweit und seit 1964 olympisch. Im vierjährigen Rhythmus finden die Volleyball-Weltmeisterschaften statt. Die Männerwettkämpfe werden zurzeit in Italien ausgetragen, die Frauen-WM findet in Japan statt. Als Favoriten bei den Männern gelten der amtierende Weltmeister und Olympiasieger Brasilien sowie Russland, Cuba und Italien. Das junge deutsche Team befindet sich derzeit auf dem Sprung in die Weltspitze. Angestrebt ist ein Rang unter den ersten acht – ein Ziel, das nur erreicht werden kann, wenn sich keiner der Leistungsträger verletzt.
In kaum einer anderen Ballsportart werden höhere Anforderungen an die Athleten gestellt als beim Volleyball. Die Belastungsform ist anaerob und alaktazid, die Sprungfrequenz extrem hoch. Ein Spitzenspieler trainiert mehr als 25 Stunden wöchentlich und absolviert pro Trainingstag über 300 Maximalsprünge und damit etwa 40.000 Maximalsprünge im Jahr. Die Weltmeisterschaft mit 24 teilnehmenden Mannschaften wird innerhalb von zwei Wochen ausgetragen, sodass in der Vor- und Zwischenrunde täglich gespielt wird.
Volleyballtypische Verletzungen
Die hohe Trainings- und Spielbelastung und der fehlende Körperkontakt zum Gegner haben zur Folge, dass chronische Verletzungen und Überlastungsschäden weitaus häufiger vorkommen als akute.
Chronische Verletzungen
- Lendenwirbelsäule (LWS): MRT-Studien zeigen einen linearen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Jahre, die ein Volleyballspieler professionell trainiert hat, und den degenerativen Veränderungen der unteren LWS. Hier zeigen sich vor allem Facettenarthrosen, Flüssigkeitsverlust der Bandscheiben und erosive Osteochondrosen, insbesondere bei bestehenden Hyperlordosen.
- Knie: Patellaspitzensyndrome und Retropatellararthrosen sind bei der hohen Sprungbelastung sehr häufig. Oft findet sich eine relative Schwäche der Oberschenkelmuskulatur (Hamstrings und/oder Vastus medialis)
- Schulter: Wie bei allen Überkopfsportarten ist die Schulter beim Volleyball erheblich belastet. Supra- und vor allem auch Infraspinatussyndrome sowie subacromiale Impingementsyndrome sind weit verbreitet. Häufige Ursache hierfür ist eine bei den Athleten oft zu beobachtende erhebliche Kyphosierungstendenz der BWS.
- „Volleyballschulter“: Eine Besonderheit ist die so genannte Volleyballschulter, das N. suprascapularis-Syndrom mit konsekutiver Infraspinatus-Atrophie mit einer Inzidenz von bis zu 25 Prozent bei Spitzenmannschaften. Die Ätiologie ist bis heute nicht befriedigend geklärt. Wird frühzeitig operiert, bildet sich die Infraspinatusatrophie wieder zurück, in der Regel bleibt aber eine charakteristische Delle unter der Spina scapulae.
- Achillessehne: Wie bei einer Sprungsportart nicht anders zu erwarten, finden sich sehr häufig Reizzustände der Achillessehne bei Volleyballern. Als Ursachen dafür sind Verkürzungen der Wadenmuskulatur – hier insbesondere des Musculus soleus – Achsabweichungen und unpassendes Schuhwerk zu nennen.
- Ermüdungsbrüche: Stressfrakturen kommen bei Volleyballspielern häufiger im Bereich des Schienbeins vor, seltener am Mittelfuß.
Akute Verletzungen
- Oberes Sprunggelenk: Die Sprungszone unter dem Netz ist sehr klein, so dass ein Spieler immer wieder auf dem Fuß eines Gegenspielers oder eines Mitspielers landet. Etwa 50 Prozent aller Verletzungen beim Volleyball betreffen das Supinationstrauma (Umknickverletzung) des Sprunggelenks mit all seinen möglichen Folgen.
- Knie: Etwa 7 Prozent der Verletzungen beim Volleyball betreffen das Kniegelenk, meistens handelt es sich um Drehfeststelltraumen ohne Fremdeinwirkung. Meniskusläsionen und nicht selten isolierte Kreuzbandrupturen sind die Folge.
- Fingerverletzungen: Die Finger sind vor allem beim Blockspiel extrem verletzungsgefährdet, insbesondere durch falsches Timing. Besonders häufig finden sich Seitenbandverletzungen im Fingermittelgelenk (PIP) und auch am ulnaren Seitenband des Daumengrundgelenks.
Spezielle Rolle des behandelnden Arztes
Der Mannschaftsarzt ist ein wichtiges Mitglied der 20-köpfigen Delegation bei Volleyball-Wettkämpfen. Dazu gehören die 14 Spieler, Trainer und Co-Trainer, Scout, Delegationsleiter und die medizinische Abteilung mit Physiotherapeut und Arzt. Während ein Physiotherapeut die gesamte Saison bei der Mannschaft ist, teilen sich vier bis fünf Mannschaftsärzte – ausschließlich Orthopäden – die Betreuung. Für den Informationsaustausch steht eine passwortgeschützte Internetseite zur Verfügung.
Zu den Aufgabengebieten des Orthopäden beim Volleyball gehören:
- Begleitung bei Training und Wettkampf
- Diagnosestellung und Versorgung von Verletzungen
- Koordination der Heilmaßnahmen
- Therapie von Infektionen
- Umsetzung der Empfehlungen der jährlichen sportärztlichen Untersuchungen am OSP
- Einigung mit Trainer und Physiotherapeut über Spiel- und Trainingspausen
- Kontrolle der Ernährung und der Nahrungsergänzungsmittel
- Information der Spieler und Einhaltung der Anti-Doping-Regularien
- Begleitung zu Anti-Doping-Tests
- Kommunikation mit dem Arzt des Heimatvereins eines verletzten Spielers
Dies erfordert bei Veranstaltungen wie der Volleyball-Weltmeisterschaft, dass der betreuende Mannschaftsarzt rund um die Uhr im Einsatz ist.
Übersicht: Vorbeugung von Verletzungen beim Volleyball
- Sprunggelenk: aktives Stabilisierungsprogramm zur Verbesserung der Propriozeption, ggf. Orthesenversorgung
- Knie: gezieltes Auftrainieren der Hamstrings, Kräftigung des Vastus medialis
- Wirbelsäule: regelmäßiges Training der Rumpfmuskulatur, statische, dynamische und sportartspezifische Übungen in den Trainingsprozess integrieren
- Schulter: Stabilisierungsübungen zur Aufrichtung aus der Brustkyphose, Stabilisierung der Schultermuskulatur, v.a. der Außenrotatoren
Autor: Dr. Antonius Kass, Facharzt für Orthopädie, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Sportmedizin, Chirotherapie, Akupunktur, seit 1993 Betreuer der Volleyball-Nationalmannschaft (der Damen seit 2008 der Männer!), seit 2008 Betreuer der Volleyball-Nationalmannschaft der Männer, ehem. Leistungssportler im Volleyball (80 Länderspieleinsätze)
Aktuelle GOTS-Veranstaltung: Symposium “Zurück zum Sport”
Das Zentrum für Regenerative Medizin an der Donau-Universität Krems veranstaltet unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Stefan Nehrer in Kooperation mit dem Moorheilbad Harbach und unter der Patronanz der GOTS Österreich von 1.-3.10.2010 das Symposium “Zurück zum Sport – Sportschaden, Sportverletzung, Operation”. Dieses Symposium beschäftigt sich mit peri- und postoperativen Rehabilitationskonzepten von der Verletzung bis hin zum Wiedereinstieg in den Sport. Ausgewiesene Spezialisten versuchen regionenspezifisch diese Problemstellung aufzuzeigen und zu diskutieren.