Der alpine Skisport ist gefährlicher denn je – Können Beschränkungen das Verletzungsrisiko mindern?
Die Liste der Verletzten ist prominent, die Schäden wiegen schwer: Hilde Gerg, Florian Eckert und Regina Häusl aus dem deutschen Ski-Team, der Österreicher Hannes Trinkl sowie der Schweizer Silvano Beltrametti und andere verunglückten bei einem ihrer Rennen oder im Training schwer. Meistens war das Knie betroffen, mit Kapsel- und Bandverletzungen. Dazu kamen Schienbeinkopfbrüche und Unterschenkelfrakturen. Am schlimmsten hat es Silvano Beltrametti in Val d’Isère getroffen. Der Zweiundzwanzigjährige ist seit seinem Sturz querschnittsgelähmt.
Es wurde in Laufe der letzten Jahre auffällig: Die Verletzungen häuften sich, und die Schwere der Verletzungen nahm deutlich zu. “Wir haben die Grenzen der Belastbarkeit im alpinen Skisport erreicht und sogar schon überschritten”, sagt Dr. Hubert Hörterer aus Bad Wiessee, der bei den Olympischen Winterspielen in Salt Lake City im Auftrag des Nationalen Olympischen Komitees für den Bereich Orthopädie und Traumatologie verantwortlich ist.
Zusammen mit seinem Kollegen Dr. Ernst-Otto Münch aus München ist er außerdem noch zuständig für die medizinische Betreuung der Frauen und Männer in der alpinen Ski-Nationalmannschaft.
Sind es nun die stark taillierten Carving-Ski, die für das extrem hohe Risiko verantwortlich sind? Die Ski, die im Slalom bei den Frauen manchmal nur eine Länge von 1,50 Meter haben und bei den Männern nur 1,61 – 1,65 Meter messen? Wenigstens bei der Abfahrt und beim Super G sind die Ski länger. “Es wäre falsch, die Verletzungsserie allein auf das Material zu schieben und hier weitere Beschränkungen einzuführen”, sagt GOTS-Vorstandsmitglied Dr. Hubert Hörterer. “Vielmehr ist die Kombination mit anderen Faktoren das Problem.” Er spricht von dem jetzt viel häufiger eingesetzten Kunstschnee, Witterungseinflüssen wie Nebel, der Streckenabsicherung, der Streckenführung, den Sturzräumen, dem konditionellen Zustand der Ski-Asse und ihrem Fahrvermögen. “Stärkere Kräfte kommen plötzlich zum Tragen, und der Athlet muß höhere Belastungen und Beschleunigungen aushalten. Sein Bewegungsapparat hat sich aber nicht verändert. Kreuzband und Knochen haben sich im Laufe der Zeit nicht verändert.”
Man könnte nun die Strecken “entschärfen”, sie langsamer machen und mit weiten Sturzräumen versehen. Doch wer will das schon? Die Athleten kaum. Sie fordern schwierige Abfahrten und suchen die Herausforderung. Auch die Zuschauer wollen die Rennen möglichst hautnah erleben und ihre Idole vorbeirauschen sehen. Alpiner Skisport ist eben nicht so ungefährlich wie Eiskunstlaufen. Der Konflikt zwischen Grenzerfahrung und Sicherheit ist unausweichlich.
Ärzte wie Dr. Hubert Hörterer und Dr. Ernst-Otto Münch, die das Metier aus der Praxis kennen, wissen, daß sich dennoch etwas ändern muß. Den großen Rundumschlag aber wird es nicht geben. Die Medizinische Kommission des internationalen Skiverbandes, deren Mitglied Dr. Hubert Hörterer ist, die Materialforscher, die Sicherheitsexperten und vor allem auch die Renndirektoren arbeiten während der Saison und in der Sommerpause an diesem Problem. Dr. Hubert Hörterer und die Arbeitsgruppe der Trainer geben sich keinen Illusionen hin: “Wir haben in der Vergangenheit schon viel erreicht und müssen trotzdem auf allen Gebieten weiter für kleine Verbesserungen und mehr Sicherheit sorgen. Große Sprünge wird es nicht geben. Abfahrt und Super G sind nun einmal eine Hoch geschwindigkeits-Angelegenheit, und die Sportler wissen das auch.”
12. Februar 2002
Angelika Müller
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