Sehr geehrte Damen und Herren,
Sport im Kindes- und Jugendalter wird angesichts von Bewegungsmangel und Übergewicht immer wichtiger. Das zeigen zahlreiche Studien, die sowohl den präventiven Effekt für das Herz-Kreislaufsystem sowie den Stoffwechsel belegen als auch die positiven Auswirkungen auf die Psyche und Persönlichkeitsentwicklung. Wie adaptiert der Bewegungsapparat körperliche Aktivität, und welche Besonderheiten müssen im Unterschied zum Sport im Erwachsenenalter beachtet werden? Wo sind die Chancen, wo die Gefahren? Prof. Dr. Holger Schmitt, der in der GOTS die Kommission Kindersportorthopädie leitet, gibt im aktuellen Newsletter der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin einen Überblick.
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Andreas Bellinger, GOTS-Pressesprecher
Der 34. Jahreskongress der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS) findet vom 27. bis 29. Juni 2019 in Österreich statt. Zum Thema “Sport-Medizin: von 0 – 100” laden Kongresspräsident Dr. Rolf Michael Krifter und Kongresssekretär Dr. Christian Lang nach Salzburg ein. Kindliche und jugendliche Sportverletzungen sowie Überlastungsschäden und Sport mit angeborenen Störungen sollen erstmals im Vordergrund stehen. Es geht aber auch um die neuen olympischen Sportarten, zu denen hochkarätige Spitzensportler und Gäste eingeladen werden. Geplant sind außerdem Themen zu älteren sportlich aktiven Patienten mit spezifischen altersbedingten Verletzungsmustern und Überlastungsschäden. Ein weiterer wissenschaftlicher Schwerpunkt ist der zunehmenden Herausforderung “Sport mit Arthrose und Prothese” gewidmet. Ihre Abstract-Anmeldung ist bis zum 1. Dezember 2018 möglich. Weitere Informationen entnehmen Sie bitte dem Flyer im Anhang dieses GOTS-Newsletters und der Kongress-Homepage.
Wir möchten Sie zudem auf folgende Veranstaltungen hinweisen:
13. bis 20. Oktober 2018 auf Mallorca: Sport verschreiben – aber richtig! 5. Sportmedizinische Weiter- und Fortbildung. Info
02. bis 06. Dezember 2018 in Kaprun: Sportärzte- und Sportphysiowoche Kaprun 2018. Sportmedizin für jedes Level. Info
05. bis 08. Dezember 2018 in Nürnberg: 34. Nürnberger Arthroskopiekurs und Gelenksymposium. Info
Winglet-Fortbildungen:
09. Oktober 2018 um 20.15 Uhr (#910): Für die Praxis – Arzthaftung, Problemfelder identifizieren und adäquat reagieren. Info
16. Oktober 2018 um 20:15 Uhr ( #1610): Update Meniskuschirurgie – Save the Meniscus. Info
(Mit dem Gutscheincode “SmartEdu@GOTS” erhalten Sie jeweils einen Rabatt von 20 EUR)
Kinder- und Jugendsport: Effekte und Gefahren
Zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten belegen, wie wichtig körperliche Aktivität und Sport im Kindes- und Jugendalter sind. Die Gesundheit wird dadurch unter verschiedenen Aspekten positiv beeinflusst. Neben präventiven Effekten für das Herz-Kreislaufsystem (Hypertonie etc.) und den Stoffwechsel (Diabetes, Adipositas etc.) lassen sich überdies positive Auswirkungen auf die Schulleistung und nicht zuletzt auf die Psyche und Persönlichkeitsentwicklung feststellen. Auch der Bewegungsapparat kann sich an Belastungen adaptieren und über eine Stärkung knöcherner Strukturen und des die Gelenke umgebenden Bindegewebeapparates (Muskeln, Sehnen) die Leistungsfähigkeit steigern. Selbstverständlich müssen die sportlichen Aktivitäten bei Kindern und Jugendlichen den individuellen Möglichkeiten angepasst werden.
In diesem Zusammenhang ist nicht zuletzt die Einführung einer Jugend-Olympiade zu nennen, an der analog zu den Olympischen Spielen junge Sportler im Alter von 14 bis 18 Jahren teilnehmen können. Die erstmals im Jahr 2010 (Sommerspiele) beziehungsweise 2012 (Winterspiele) durchgeführten Wettkämpfe haben dazu geführt, dass Kinder und Jungendliche in vielen Sportarten durch die Errichtung von Jugendleistungszentren und Sportinternaten schon in jungen Jahren hochintensiv belastet werden und somit der wachsende Bewegungsapparat gefordert wird.
Aber nicht nur im Leistungssport, sondern auch im Breitensport finden sich in der medizinischen Betreuung Besonderheiten, welche den Jugendlichen vom Erwachsenen unterscheiden. Worauf muss geachtet werden?
1. Schwachstelle Wachstumsfuge
Sowohl akute Verletzungen als auch chronische Belastungen können zu Verletzungen der Wachstumsfuge führen, die zu einem Fehlwachstum der betroffenen Extremität führen können. Insbesondere im Bereich des Ellenbogens und Kniegelenks können gelenknahe oder auch das Gelenk direkt betreffende Verletzungen mit Beteiligung der Wachstumsfuge zu Achsabweichungen führen, die je nach Ausprägung auch Spätschäden nach sich ziehen können.
Aber auch repetitive gleichförmige Mikrotraumata werden in gewissen Sportarten dafür verantwortlich gemacht, dass Epiphysen unphysiologisch belastet werden und damit ein Fehlwachstum eingeleitet wird. Am auffälligsten sind diese Phänomene bei jugendlichen Fußballspielern an den Kniegelenken (O-Beine) sowie an den Hüftgelenken durch die Ausbildung eines sogenannten femoroacetabulären Impingements, wodurch das normale Bewegungsspiel gestört ist.
Bei akuten Verletzungen im Kindesalter sollte daher im gelenknahen Bereich nach klinischer Untersuchung frühzeitig eine bildgebende Diagnostik veranlasst werden. Bei Kindern und Jugendlichen, die mit Leistungsanspruch ein erhöhtes Trainingsvolumen absolvieren, sollte an die Ausbildung derartiger Phänomene gedacht werden und bei Auftreten erster klinischer Beschwerden eine weiterführende Diagnostik in die Wege geleitet werden. Für den betreuenden Sportarzt ist es erforderlich, die sportartspezifisch unterschiedlich belasteten Körperregionen zu kennen und somit frühzeitig zu reagieren.
2. Spezifische Verletzungsmuster
Im Vergleich zu Erwachsenen finden sich bei Kindern deutlich weniger Muskel- und Sehnenverletzungen. Auch wenn es beim wachsenden Bewegungsapparat zu Entzündungen und Reizzuständen am Sehnenansatz kommen kann, sind häufig die Ansatzzonen der großen Sehnen an den Apophysen betroffen. Auch hier ist die Kniegelenkregion mit der Ansatzzone der Patellasehne an der Tibia prädisponiert.
Neben Überlastungsreaktionen mit Entzündungssymptomatik kann es auch zu Dislokationen oder kompletten Ausrissverletzungen der Apophyse kommen, die je nach Dislokationsgrad ein operatives Vorgehen notwendig machen. Dagegen können knöcherne Verletzungen ohne Gelenkbeteiligung je nach Alter und Lokalisation in vielen Fällen konservativ behandelt werden, da selbst bei Dislokation bei jungen Kindern Selbstheilungs- und Korrekturprozesse vorhanden sind, die zu einer folgenlosen Ausheilung führen können. Bei Jugendlichen werden zunehmend operative Maßnahmen empfohlen, um frühzeitig eine stabile Situation herbeizuführen und Folgeschäden möglichst zu vermeiden.
3. Therapie und Rehabilitation
Therapeutische Maßnahmen richten sich nach der betroffenen Extremität, der vorliegenden Verletzung, der Versorgung und dem Alter des Kindes beziehungsweise Jugendlichen. Bei Kindern im Alter von zehn bis zwölf Jahren ist zumeist eine eher defensive Nachbehandlung anzuraten, da die Kinder alleine durch ihren Bewegungsdrang nach Rückgang der Schmerzen zunehmend belasten und sich mit ihren Aktivitäten an den dabei auftretenden Beschwerden orientieren. Im Jugendalter richten sich die therapeutischen Empfehlungen häufig nach denen der Erwachsenen und müssen in vielen Fällen nicht abweichen.
4. Sporttauglichkeit
Die Bewertung der Sporttauglichkeit bei Einschränkungen im Bereich des Bewegungsapparates ist bisweilen nicht einfach. Akute Verletzungen lassen sich häufig relativ sicher einschätzen, und auch die Ausheilung kann bei einem regelhaften Verlauf zeitlich kalkuliert werden. Hieraus resultieren Empfehlungen für den Schul- und Vereinssport.
Bei Überlastungsphänomenen können in den meisten Fällen nur Sportpausen gegebenenfalls mit begleitenden physikalischen Maßnahmen eine Ausheilung bewirken. Erst wenn sich eine beschwerdefreie Situation unter Alltagsbedingungen für mindestens zwei Wochen eingestellt hat, kann in Absprache mit den beteiligten Trainern und Eltern eine Wiederaufnahme der sportlichen Aktivitäten geplant werden.
Ein hohes Maß an Erfahrung ist bei der Beurteilung der Sporttauglichkeit bei orthopädischen Erkrankungen erforderlich. Zu nennen wäre dabei beispielsweise die Hüftdysplasie, da hier das Ausmaß der Veränderung und die sportartspezifische Belastung des betroffenen Körperteils berücksichtigt werden müssen. Es gibt nur sehr wenige wissenschaftliche Studien zu den betroffenen Krankheitsbildern und sportlicher Belastbarkeit. Die Kommission Kindersportorthopädie der GOTS wird sich dieser Thematik annehmen und regelmäßig über Empfehlungen informieren.
Über den Autor
Prof. Dr. med. Holger Schmitt ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Von der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg wechselte er 2010 als Leitender Arzt ans Deutsche Gelenkzentrum in der ATOS Klinik Heidelberg. Schmitt war von 2008 bis 2012 Präsident der GOTS und leitet in der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin aktuell die Kommission Kindersportorthopädie. Der frühere Zehnkämpfer, der heute Tennis und Golf bevorzugt, ist zudem Präsident des Sportärztebundes Baden.