Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin

Suche

Kleiner Ball, große Wirkung: Tischtennis

Zuletzt sorgte Deutschlands bekanntester Tischtennis-Spieler wieder einmal für Furore: Timo Boll gewann mit 42 Jahren in Katar als ältester Spieler überhaupt ein WTT-Turnier und brachte sich damit in die Position, für seine siebten Olympischen Spiele anzutreten! Dieser außergewöhnliche Umstand veranlasst uns, die sportmedizischen Aspekte dieser Sportart einmal näher zu beleuchten.

Tischtennis gilt wegen der kurzen Reaktionszeit von ca. 200 Millisekunden zwischen zwei Ballkontakten als das schnellste Rückschlagspiel der Welt. Die Ballgeschwindigkeiten erreichen bis zu 180 km/h, der Spin bis zu 10.000 Umdrehungen pro Minute. Der internationale Tischtennisverband ITTF ist mit 222 Mitgliedsländern der größte Sportdachverband der Welt. Weltweit spielen 164 Millionen Menschen organisiert Tischtennis, und auch als Freizeitsport ist das Spiel an der 2,74 m × 1,525 m (9 × 5 ft) großen Platte sehr beliebt: Die Zahl der Hobbyspieler wird weltweit auf 250 Millionen geschätzt. Es gibt Einzel-, Doppel- und Mixed-Wettkämpfe, Weltmeisterschaften werden seit 1926, Europameisterschaften seit 1958 ausgetragen, und seit 1988 ist die Sportart im Olympischen Programm.

Gespielt wird im Einzel, Doppel und gemischten Doppel (Mixed). Der Schläger besteht aus einem gleichmäßig starken Holzbrett mit einem glatten (Noppen innen) oder rauen (Noppen außen) Gummibelag. Tischtennis ist gekennzeichnet durch häufige Richtungswechsel und Abstoppbewegungen in einem kleinen Aktionsradius, extrem schnellkräftige Bewegungen des Schlagarms und sehr kurze Reaktionszeiten. Es wird als Intervallsportart mit niedrigen bis mittleren Intensitäten beschrieben und ist aerob, in Intervallen anaerob-alaktazid. Gekennzeichnet ist der Profisport durch eine hohe Turnier- und Spielbelastung.

(Neben den Ligaspielen beispielsweise in der TTBL gibt es Mannschaftswettbewerbe im Pokal, der Champions League, und international mit jährlicher EM, WM und den Olympischen Spielen sowie den European Games alle 4 Jahre. Hinzu kommen die hohe Anzahl der für die Weltranglistenpunkte wichtigen internationalen Turniere, bei denen die Spieler neben dem Einzel auch oft noch in Doppel- und Mixed-Wettbewerben antreten. Da diese zum Großteil in Asien stattfinden, kommt die hohe Reisebelastung hinzu. Ein Profispieler absolviert oft mehr als 100 Matches im Jahr. )

Es gibt zwei unterschiedliche Möglichkeiten, den Schläger zu halten: Die Penholder- und die Shakehand-Variante. Während von europäischen Spielern fast durchgehend die Shakehand-Griffhaltung zur Anwendung kommt, bevorzugen einige Asiaten und auch ein deutscher Spitzenspieler den Penholder-Griff. Es gibt verschiedene technische und taktische Möglichkeiten, den Ball auf der Tischhälfte des Gegners zu platzieren. Grundsätzlich unterscheidet man wie beim Tennis Vorhand- und Rückhandschläge. Normalerweise entwickelt jeder Spieler eine charakteristische und erfolgreiche Spielform, grundsätzlich lassen sich aber „Angriffs-“, „Abwehr-“ und „Allroundspieler“ identifizieren. Aus unterschiedlichen Spielstilen resultieren auch jeweils andere Belastungsprofile. Angriffsspieler haben beispielsweise eine höhere Belastung der Schulter, Abwehrspieler des Handgelenkes und des Trizeps brachii. Während im Frauen-Tischtennis auch in der Weltspitze regelmäßig Abwehrspielerinnen erfolgreich sind, sind im Männer-Tischtennis echte Abwehrspieler selten.

Verletzungsmechanismen

Sportverletzungen betreffen überwiegend Supinationstraumen im OSG und Muskelverletzungen sowie Verletzungen der Hand an der Tischtennisplatte. Sportschäden betreffen vor allem Schulter, Knie und die Lendenwirbelsäule. Traumatische Verletzungen des Kniegelenkes sind im Tischtennissport sehr selten, Kreuzbandverletzungen sind eine Rarität (<1%). Zuletzt fiel die deutsche Nummer 1 und Medaillenhoffnung für Olympia mit einer Achillessehnenruptur aus, eine im Tischtennis eher seltene Verletzung. Großteil der Verletzungen in der sportmedizinischen Praxis betreffen akute und chronische Muskelzerrungen und –faserrisse. Ursächlich hierfür ist die hohe Intensität, Dysbalancen und die hohe Anzahl der Repetitionen. Häufig finden sich Verletzungen des Oberschenkels, der Ober-und Unterarmmuskulatur und immer wieder der Rumpfmuskulatur, insbesondere der Rotatoren. Statistisch verteilen sich die die Verletzungen im Tischtennis auf die Schulter (17%), das Sprunggelenk (16 %), Fuß (10 %) und Handgelenk (12%). Insgesamt ist die Verletzungshäufigkeit gegenüber anderen Sportarten beim Tischtennis geringer (4/1000h, gegenüber 40/1000h beim Fußball). Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass langjährig (>10 Jahre) professionell ausgeübter Tischtennissport zu einer radiologisch nachweisbaren signifikant erhöhten Gonarthoseprävalenz und einem vermehrten Genu varum führt. Bei hohen Trainingsumfängen in der Adoleszenz sind häufig Veränderungen des Schenkelhalses (Cam-Impingement) zu beobachten.

Sportartspezifische Belastung und Beanspruchung

Die Spitzenspieler trainieren im Tischtennis oft 6 Stunden und mehr täglich mit einer hohen Intensität. Bei den schnellen, kurzen Richtungswechseln und Abstoppbewegungen mit gebeugtem Knie kommt es zu hohen exzentrischen Belastungen der Knieextensoren und -flexoren und hohe Belastungen des Triceps surae durch wechselnde konzentrische und exzentrische Muskelarbeit. Es kommt auch zu einer hohen statischen Belastung durch tiefes „in die Knie gehen“. 27% der Sportschäden betreffen die untere Extremität. Im Vordergrund steht hierbei der „vordere Knieschmerz“ mit einer Symptomatik im Sinne eines Patellaspitzensyndroms oder einer Chondropathia patellae. Auch sind immer wieder – oft bei nicht korrekter Beinachse – Überlastungssyndrome wie das Pes-anserinus-Syndrom und Friktionssyndrome des Tractus iliotibialis zu beobachten.

Präventionsstrategien

Betrachtet man die häufigsten Überlastungsschäden, ergeben sich immer wiederkehrende Muster von Dysbalancen und typischen Schwachpunkten. Hauptaugenmerk der Prophylaxe sollte zunächst auf einer Stabilisierung der Rumpfmuskulatur liegen. Neben der vermehrten Kyphose der Brustwirbelsäule sollte einer Verkürzung des M. psoas entgegengewirkt werden. Wichtig ist auch die Balance der Bauch- und Rückenmuskulatur. Erreicht werden kann dieses auch durch Balancetraining und propriozeptive Übungen, bei denen gezielt auch die neuromuskuläre Ansteuerung beübt wird. Ursache für den vorderen Knieschmerz sind sehr häufig Dysbalancen der Oberschenkelmuskulatur zuungunsten der ischiokruralen Muskulatur und des Vastus medialis. Bei Schulterbeschwerden findet sich häufig eine Dysbalance der Schultermuskulatur mit Verkürzung der vorderen und Schwäche der dorsalen Kette. Hier sollte auch auf neuro-muskuläre Ansteuerung der Skapula („Scapula setting“) geachtet werden

 

Fazit:

– Tischtennis ist eine schnellkräftige Sportart mit hoher Intensität und hoher Trainingsbelastung und vergleichsweise geringer Verletzungshäufigkeit

–  Sportschäden sind häufiger als Sportverletzungen

–  Sportverletzungen betreffen überwiegend das obere Sprunggelenk, die Muskulatur und Handverletzungen am Spieltisch

–  Sportschäden finden sich überwiegend an Schulter, Rumpf und Kniegelenken (Patellasehne)

–  Für die Prophylaxe sind eine Stabilisierung des Rumpfes und bei Dysbalancen der hinteren Kette der Oberschenkel- und Schultermuskulatur (Scapula setting!) wichtig


DER AUTOR

Dr. Antonius KassDr. Antonius Kass

ist Facharzt für Orthopädie, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Sportmedizin tätig in eigener Praxis in Düsseldorf.

Seit 2011 ist er Leitender Verbandsarzt des DTTB und Betreuer der Tischtennis-Nationalmannschaft.

Seit 2014 der Para-TT-Nationalmannschaft, Arzt der Olympiamannschaft mit Teilnahme an fünf Olympischen Spielen, Leitender Mannschaftsarzt des DOSB bei zwei European Games, ehem. Leistungssportler im Volleyball (80 Länderspieleinsätze).