Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin

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Kreuzschmerzen im Sport

In 15 Jahren Tätigkeit in einer Sportordination mit Schwerpunkt Wirbelsäule sind unterschiedlichste Beschwerdemuster bei unterschiedlichsten Sportarten vorstellig geworden.

Seitens der Sportarten liegt bei mir der Hauptanteil im Bereich Laufen und Triathlon. Weitere Sportarten sind v.a. Klettern, Tennis, Volleyball, Fußball, Yoga, Golf, Schifahren, Krafttraining aber auch Ausreißer wie Voltigieren, American Football, Rudern oder Langlaufen. Natürlich gibt es sportartspezifische Adaptierungen und Beschwerden wie etwa der „climber´s back“ oder vermehrte Instabilitäten und Hypermobilitäten beim Yoga und Volleyball, man muss allerdings immer an alle möglichen Erkrankungen und Diagnosen denken um damit auch keine schwerwiegenden Erkrankungen zu übersehen.

Um zu einer Diagnose zu kommen, ist eine Anamnese inklusive der Sportanamnese und eine detaillierte klinische Untersuchung entscheidend. Im Rahmen dieser Erstuntersuchung ist die Abklärung etwaiger „red flags“ (Carcinom, Infektion, …) essentiell und gibt auch die Richtung hinsichtlich weiterer Abklärung und Therapie vor.

Ab- und Aufklärung

Die Aufklärung, Abklärung und Beratung des Sportlers ist bei Kreuzschmerzen, wo jeder Sportler sogleich voller Angst an einen Bandscheibenvorfall denkt, ein wichtiger Punkt bei der ärztlichen Begutachtung. Dies ist oft zeitintensiv, jedoch v.a. für die Vermeidung von chronischen Schmerzen bzw. rezidivierenden Beschwerden essentiell. Einige Studien haben beschrieben, dass zahlreiche Veränderungen im MRT auch bei beschwerdefreien Sportlern zu finden sind. Es ist dementsprechend eine Aufgabe des Sportarztes/der Sportärztin zu erkennen, ob die klinischen Beschwerden zu den Veränderungen im MRT passen und diese der Auslöser für die Beschwerden sind. Oft ist es eine Herausforderung den Sportler von der im MRT gestellten Diagnose „Bandscheibenvorfall“ abzubringen und Ihm/Ihr die meist komplizierteren Ergebnisse der Untersuchung so verständlich darzustellen, sodass er/sie diese auch annehmen kann.

Diagnostik

Diese ist klar in den aktuellen Leitlinien für den spezifischen Kreuzschmerz festgelegt. Im Rahmen der bildgebenden Diagnostik wird je nach Fragestellung ein konventionelles Röntgenbild der Lendenwirbelsäule im Stand in 2 Ebenen (ev. mit Funktionsaufnahmen) und/oder eine Magnet-Resonanz-Tomographie der Lendenwirbelsäule durchgeführt.

Bei klinischem Hinweis auf eine rheumatologische Erkrankung oder Infektion sollte die Diagnostik durch Laborparameter wie die Entzündungswerte oder auch das HLA-B27 ergänzt und eine Vorstellung beim Rheumatologen eingeleitet werden.

In der Anamnese ist auch immer die Frage nach Beschwerden im gynäkologischen oder urologischen Bereich wichtig, da Erkrankungen aus diesen Bereichen zu Kreuzschmerzen führen können.

Die häufigsten Beschwerdebilder

Der Großteil der Beschwerden lassen sich durch funktionelle Probleme wie Blockierungen, Instabilitäten, Triggerpunkte, muskuläre Dysbalancen, usw. erklären. Bei den strukturellen Veränderungen sind Bandscheibenvorfälle, Spondylolysen und Spondylolisthesen, Skoliosen sowie Knochenmarksödeme im Pedikelbereich und Wirbelkörpereinbrüche vorrangig vertreten. Diese Diagnosen treten je nach Alter und Sportart in unterschiedlichem Ausmaß auf.

Funktionelle Beschwerden wie Blockierungen, Instabilitäten oder Hypermobilitäten sind in der klinischen Untersuchung zu finden und werden in der Bildgebung nur selten dargestellt. Bei unterschiedlichen Sportarten besteht teilweise sogar eine Art Grundvoraussetzung für die Sportausführung auf hohem Niveau im Sinne einer sportartspezifischen Adaptierung. Die Beschwerden sind meist kurzfristig mit Bewegungseinschränkungen und dem subjektiven Gefühl einer Sperre bei der Bewegung. Diese Einschränkungen am Gelenk treten meist in Kombination mit Muskel- und Faszienveränderungen auf.

Beim klinisch relevanten Discusprolaps ist in der Anamnese meist ein subjektives Kraft- oder Sensibilitätsdefizit, sowie Schmerzen beim Husten, Lachen und/oder Niesen auffällig. Eine wichtige Frage für das weitere Procedere ist die nach ungewolltem Stuhl- oder Harnverlust bzw. einem Gefühlsdefizit im Intimbereich („Reithose“). In der klinischen Untersuchung ist die neurologische Symptomatik entscheidend für das weitere Procedere (bestehende OP-Indikation?).

Bei Spondylolysen und Spondylolisthesen ist für die Diagnosefindung die Sportanamnese oft zielführend – tritt vermehrt bei Sportarten wie Speerwurf, Volleyball oder Tennis auf. Schmerzen werden meist in der Reklination angegeben und bei der klinischen Untersuchung findet sich ein Druckschmerz im Bereich des supraspinalen Bandes sowie eine mögliche Stufenbildung mit Verstärkung in der Reklination.

Knochenmarksödeme und Wirbelkörpereinbrüche bedingen oftmals massive Schmerzen bei axialen Belastungen im Sinne von Stauchungen z.B. beim Sprung. Man findet einen lokalen Klopfschmerz und v.a. in der Anamnese meist eine Trauma-Anamnese oder Hinweis auf Überlastung (z.B. Tennis-Trainingslager mit intensivem Aufschlagtraining).

Skoliosen sind im Kinder- und Jugendalter meist schmerzfrei, sollten jedoch bei Auffälligkeiten in der Untersuchung einer Bildgebung zur Beurteilung des Skoliosewinkels und der Reifezeichen zugeführt werden.

Mögliche Therapieansätze

Die Therapie beinhaltet je nach Diagnose, neben der Aufklärung des Sportlers/der Sportlerin, zumeist eine Schmerzmedikation und physikalische Therapiemaßnahmen. In seltenen Fällen ist eine Ruhigstellung mit Mieder bzw. Orthese oder auch eine Operation nötig.

Bei funktionellen Beschwerden erfolgt zumeist eine manualmedizinische Behandlung und Empfehlungen für zu Hause (lokale Wärme, KEINE Bettruhe, Übungen zur Selbstmobilisierung und bei Bedarf Schmerzmedikamente). Bei starken Schmerzen kann dieser Therapieansatz durch lokale Maßnahmen wie Infiltrationen, dry needeling, oder auch Stoßwellenbehandlung ergänzt werden. Weiters sollte im Rahmen einer Physiotherapie an den meist vorhandenen muskulären Dysbalancen und Stabilisierungsdefiziten gearbeitet werden – Schlagwort „core stability“.

Skoliosen sollten zeitgerecht je nach Skoliosegrad einer entsprechenden Therapie (Schroth Therapie, E-Technik, Miederversorgung, OP) zugeführt werden.

Bei den anderen oben erwähnten Diagnosen muss individuell entschieden werden inwieweit eine Sportpause, Ruhigstellung bzw. Operation notwendig ist. Als Basis erfolgt zumeist eine Physiotherapie – anfangs mit dem Schwerpunkt Schmerzbehandlung, im Verlauf mit dem Ziel der Funktionsverbesserung bis hin zur sportartspezifischen Rehabilitation in Zusammenarbeit mit Sportwissenschafter und Trainern.

Abschließend ist zu sagen, dass wie bei allen Verletzungen bzw. Erkrankungen bei Sportlern, die Beantwortung der Frage nach dem möglichen Sportbeginn eine schwere ist und viel „Gespür“ (Gefühl) benötigt. Aus eigener Erfahrung ist oftmals eine Sportadaptierung oder Sportartwechsel ausreichend und kein absolutes Sportverbot nötig.

DIE AUTORIN

PD Dr. Karin Pieber ist Fachärztin für Physikalische Medizin und allgemeine Rehabilitation und Teil der Sportordination in Wien. Seit 2018 ist sie im Beirat der GOTS. Ihr klinischer Schwerpunkt ist die Wirbelsäule im Sport. Sie betreut SportlerInnen in Sportarten wie Triathlon, unterschiedlichen Ball- und Kampfsportarten, Schifahren und Klettern. Zusätzlich ist sie Kursleiterin bei den Manuellen Medizin Kursen in Wien und u.a. Vortragende an der Donau-Universität Krems und der FH Campus Wien.