Der Marathonlauf (kurz Marathon) ist eine der ältesten und bekanntesten Disziplinen im Ausdauersport. Ursprünglich inspiriert von der Legende des griechischen Soldaten Pheidippides, der im Jahr 490 v. Chr. in der Schlacht von Marathon nach Athen lief, um die siegreiche Nachricht zu überbringen, hat sich der Marathon zu einer der beliebtesten Laufveranstaltungen weltweit entwickelt.
Der Marathonlauf ist zugleich die längste olympische Laufdisziplin in der Leichtathletik und erstreckt sich über die klassische Distanz von 42,195 Kilometern.
Für viele Menschen ist die Teilnahme an einem Marathon ein persönliches Ziel und eine bedeutende Leistung. Egal ob man den Marathon als Wettkampf bestreitet oder einfach nur das Ziel erreichen möchte, die Erfahrung, die Grenzen des eigenen Körpers zu überwinden und die Ziellinie zu überqueren, ist für viele Läufer unvergesslich.
Den aktuellen Weltrekord im Marathon hält Kelvin Kiptum. Der Kenianer lief die 42,195 Kilometer lange Strecke im Oktober 2023 in Chicago in einer Zeit von 02:00:35 und durchschnittlich ca. 21 km/h. Er unterbot damit den vorherigen Weltrekordhalter, Eliud Kipchoge, um 34 Sekunden.
Der Wettlauf um den ersten Marathon unter der berühmten „Zwei-Stunden-Marke“ bleibt jedoch weiterhin Bestehen und wirft immer wieder die Frage nach den körperlichen Limits auf.
Im Rahmen der sogenannten „Ineos 1:59 Challenge“ gelang es dem ehemaligen Weltrekordhalter Eliud Kipchoge als einziger Mensch diese Marke mit einer Zeit von 01:59:40 zu unterbieten, allerdings unter nicht offiziellen Wettkampfbedingungen. Hierzu lief Kipchoge, geschützt im Windschatten von insgesamt 41 Elite-Läufern, die alle 4 km zum Tempomachen wechselten, auf eigens verlegten, speziellen Asphalt. Ein Begleitfahrzeug vor dem Läufertross warf via Lasertechnik eine Orientierungshilfe für die zuvor berechnete Zeit. Ein Kilometerschnitt von 2:50 Minuten war das Ziel. Auch die vorab analysierten Wetterbedingungen mussten für den Start erfüllt sein.
Typische Überlastungsschäden im Marathon und Therapieoptionen
Im Rahmen einer Vorbereitung auf einen Marathon oder im Wettkampf selbst können verschiedene Überlastungsschäden auftreten. Laufen ist eine zyklische Sportart mit repetitiven, rhythmischen Wiederholungen ohne Pausen. Die kontinuierliche Ermüdung oder pathologische Veränderungen der Muskulatur sowie Achsfehlstellungen und die Lauftechnik können zu hohen Belastungsspitzen beziehungsweise Fehlbelastungen führen. Über 80% der Verletzungen beim Laufen betrifft die untere Extremität. Zu den typischen Überlastungsschäden gehören das Schienbeinkanten-Syndrom (Shin-Splint-Syndrom), das Läuferknie (Tractus-iliotibialis Syndrom), Achillessehnen-Tendinopathien sowie die Plantarfasziitis und Stressfrakturen.
Die häufigsten Beschwerden resultieren aus einem Missverhältnis zwischen Be-und Entlastung des Binde- und Stützgewebes, meist im Rahmen durch eine zu schnelle Steigerung der Trainingsumfänge. Weitere Ursachen sind ein unzureichendes oder unterlassenes Warm-up, ungenügende Regenerationszeiten, mangelnde Energiezufuhr oder ein zu früher „Return-to-Sport“ nach stattgehabten Verletzungen oder Erkrankungen. Aber auch die Anwendung von neuen Schuhtechniken, insbesondere die neuerdings in den Laufschuhen verbauten Carbonplatten, rufen immer häufiger Überlastungsschäden hervor. Das Carbon speichert einen großen Teil der Energie und gibt diese an die Muskulatur der Athleten zurück. Dabei werden beispielsweise die Achillessehne und die Wadenmuskulatur in teilweise unphysiologischer Art und Weise verstärkt beansprucht. Bei unzureichender Vorbereitung beziehungsweise Adaptationsprozesse dieser Körperbereiche können deshalb schnell Verletzungen entstehen.
Auch die physiologische Pronationsbewegung des Fußes spielt in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Sie dient als natürlicher Dämpfungsmechanismus und betrifft sowohl das obere als auch das untere Sprunggelenk. Eine übermäßige Pronation, beispielsweise durch eine hebelnde Sohlengestaltung im Rückfuß, durch ligamentäre oder muskuläre Instabilitäten oder aufgrund einer falschen Lauftechnik führt zu einer vermehrten Lasteinwirkung medialseitig und zu einer Absenkung des Längsgewölbes. Die Folge ist mitunter eine Mehrbelastung der Plantarfaszie, des M. tibialis posterior und des M. soleus sowie eine unphysiologische Beanspruchung der Achillessehne. Durch die Fußfehlstellung können weiterhin Stressfrakturen der Metatarsalia auftreten.
Eine übermäßige Pronation setzt sich auch nach proximal fort, in Form einer Rotation des Unterschenkels und kann hierbei durch eine Verlagerung der Zugrichtung der Patellarsehne, Fehlfunktionen des patellofemoralen Gelenks, Insertions-Tendinopathien der Patellarsehne sowie Reizzustände des iliotibialen Bands hervorrufen.
Im Gegenzug kann es bei einer Übersupination des Fußes durch eine vermehrte Lasteinwirkung nach lateral zu einer vermehrten Beanspruchung der Peronealmuskulatur mit Schmerzzuständen am lateralen Unterschenkel bis hin zu Insertions-Tendinopathien der Peronealsehnen kommen. Dies ist insbesondere bei Mittelfuß- und Vorfußläufen zu beachten, da hierbei der initiale Bodenkontakt in einer Supinationsstellung erfolgt.
Weitere Reizzustände am Tractus iliotibialis oder der Iliosakralgelenke können durch eine Insuffizienz der rumpfstabilisierende Muskelgruppen (Glutealmuskulatur, gerade Bauchmuskulatur) und ein dadurch bedingtes Abkippen des Beckens zur Schwungbeinseite beziehungsweise nach ventral entstehen.
Neben den Überlastungsschäden sind abschließend akute Verletzungen, wie Distorsionen des oberen Sprunggelenks bis hin zu Kapselbandrupturen sowie sturzbedingte Traumafolgen (Frakturen, Hautabschürfungen etc.) zu nennen.
Abhängig von den Beschwerden oder der Art der Verletzung werden verschiedene Therapieoptionen in Betracht gezogen. Zu den üblichen Behandlungen zählen physikalische Therapien wie Kühlung, manuelle Lymphdrainage, Elektrotherapie, Querfriktion oder Physiotherapie. Orale und lokale Antiphlogistika sowie Dry-Needling/ Akkupunktur oder Stoßwellentherapie sind ebenfalls häufig angewandte Maßnahmen. Zur Beseitigung oder zur Prophylaxe von muskulären Dysbalancen ist ein funktionelle Trainingstherapie unerlässlich. Dazu zählen insbesondere das exzentrische Krafttraining bei Tendinopathien und propriozeptive Trainingsformen zur Verbesserung der neuromuskulären Kopplung. Additive, funktionelle Maßnahmen wie Einlagenversorgung oder Bandagen können ebenfalls zur akuten oder subakuten Beschwerdelinderung herangezogen werden.
Nach Ausschöpfen konservativer Behandlungsmaßnahmen sollten je nach Verletzungsmuster auch frühzeitig operative Therapieoptionen (z.B. Bursektomien, Achskorrekturen, Einkerbungen, etc.) in Erwägung gezogen werden.
Prävention und richtiges Training
Die Prävention spielt eine entscheidende Rolle für jeden Marathonläufer. Oberste Priorität hat die Vermeidung von Verletzungen beziehungsweise die Erhaltung der Gesundheit, um das Training erfolgreich abzuschließen und den Wettkampf zu bewältigen. Daher sollte initial vor Beginn des Trainings ein sportmedizinischer Check-Up erfolgen, um potenzielle Risikofaktoren auszuschließen. Dies gilt sowohl aus orthopädischer (z.B. Achsfehlstellungen, Knorpelschäden, stattgehabte Verletzungen) als auch aus internistischer (z.B. Vitien, akute und chronische Myokarditis, Herzrhythmusstörungen) Sicht. Die Verletzungsanfälligkeit kann durch ein allgemeines, ausgeglichenes Athletiktraining und den Ausgleich von bestehenden muskulären Dysbalancen herabgesetzt werden. Dabei sollten vor allem die rumpfstabilisierende Muskelgruppen wie die Bauch-, die Rücken- und die Glutealmuskulatur im Fokus stehen. Weiterhin sollte auf ein ausreichendes Flexibilitätstraining zur Verbesserung der aktiven und passiven Mobilisation der Gelenke, insbesondere des oberen Sprunggelenks geachtet werden, da dieses häufig durch eine Verkürzung der Flexorengruppe zur eingeschränkten Dorsalextension neigt.
©Haspa Marathon Hamburg
Eine adäquate Trainingsplanung mit langfristiger Periodisierung sollte einen notwendigen Wechsel von Be- und Entlastung enthalten, um eine ausreichende Regeneration und einen kontinuierlichen Trainingsfortschritt zu gewährleisten. Weiterhin ist auf ein geeignetes Schuhwerk sowie eine gesunde Ernährung und ausreichend Schlaf zu achten. Insbesondere bei langen Läufen unter hohen Temperaturen sind eine ausreichende Flüssigkeits- und Kohlenhydratsubstitution zur Erhaltung der Gesundheit essenziell.
Besondere Herausforderungen während des Wettkampfes
Die richtige Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr ist essenziell für die Leistung und das Wohlbefinden eines Marathonläufers vor, während und nach dem Wettkampf. Die extreme Belastung für den Körper erfordert eine präzise abgestimmte Versorgung mit Nährstoffen und Flüssigkeiten, um die Energiebereitstellung sicherzustellen und eine Dehydration zu vermeiden.
Während eines Marathonlaufs spielen zunächst Kohlenhydrate die wichtigste Rolle in der Energiebereitstellung. Etwa 30-60 Gramm Kohlenhydrate pro Stunde werden empfohlen, um die Glykogenreserven zu unterstützen und die Leistung zu stabilisieren.
Eine Erschöpfung der Glykogenspeicher, oft als „Mauer“ bekannt, führt häufig zu einem signifikanten Leistungsabfall. Sind die Glykogenspeicher aufgebraucht wird vermehrt auf die Oxidation von Fettsäuren zurückgegriffen. Dies ist eine langsame, jedoch energieeffiziente Methode zur ATP-Gewinnung und unerlässlich für die Aufrechterhaltung der Leistung über die gesamte Distanz.
Letztlich handelt es sich um zwei simultan ablaufende Energiegewinnungswege. Durch gezieltes Training sind Ausdauersportler in der Lage einen hohen Anteil der Energie bereits frühzeitig aus dem Fettgewebe bereitzustellen. Eine zusätzliche Zufuhr von ausreichend, schnell zu verstoffwechselnder Energie ist jedoch essenziell zur Aufrechterhaltung der Renngeschwindigkeit und kann entscheidend für den Rennausgang, vor allem in der zweiten Rennhälfte sein.
Der zweite entscheidende Faktor ist die Aufrechterhaltung des Flüssigkeitshaushalts, um Dehydration und die damit verbundenen Leistungseinbußen und Gesundheitsrisiken zu vermeiden. Während des Laufens verliert der Körper zudem durch Schweiß erhebliche Mengen an Elektrolyten. Elektrolyte sind entscheidend für die Aufrechterhaltung des Flüssigkeitsgleichgewichts sowie der Muskel- und Nervenfunktion. Ein Ungleichgewicht, insbesondere von Natrium, kann zu Muskelkrämpfen und Hyponatriämie führen. Die genaue Menge variiert je nach Wetterbedingungen, individueller Schwitzrate und Körpergewicht, wobei eine allgemeine Empfehlung bei etwa 400-800 ml Flüssigkeit pro Stunde liegt. Neben Wasser sollten Sportgetränke verwendet werden, die die Elektrolyte Natrium, Kalium und Magnesium enthalten, um den Verlust dieser wichtigen Mineralstoffe auszugleichen.
Ein Verlust von mehr als 3-4 Gramm Natrium pro Liter Schweiß ist nicht ungewöhnlich. Eine Zufuhr von etwa 500-700 mg Natrium pro Liter Flüssigkeit werden daher empfohlen.
Weitere Gefahren in diesem Zusammenhang bestehen bei extremen Wetterbedingungen. Beim Marathonlauf können sowohl große Hitze als auch extreme Kälte ernsthafte Gefahren für die Gesundheit der Läufer und Läuferinnen darstellen. Bei hohen Temperaturen besteht das Risiko eines Hitzeschlags, Dehydrierung und eines Sonnenstichs. Es ist wichtig, ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen, sich vor der Sonne zu schützen und auf Warnsignale wie Schwindel, Übelkeit oder einem abrupten Leistungsabfall zu achten.
Auf der anderen Seite können kalte Temperaturen zu Erfrierungen, Unterkühlung und Atemproblemen führen. Die Wetterbedingungen sollten daher stets im Auge behalten und die Kleidung strategieentsprechend angepasst werden.
Sportlerbetreuung im Marathon
Die sportmedizinische Betreuung im Marathon beinhaltet in erster Linie ein umfassendes Präventions-programm, um mögliche Risikofaktoren zu minimeren. Dazu gehört neben dem allgemeinen orthopädischen Check-Up (Statik, Einlagenversorgung, Rezidivprophylaxe), insbesondere eine internistische Abklärung zur Beurteilung der kardiovaskulären Belastungsfähigkeit. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und gute Kommunikation zwischen den Ärzten, Trainern, Physiotherapeuten und den Athleten selbst ist die Grundvoraussetzung für einen langfristigen Erfolg. Eine große Rolle spielt weiterhin das Monitorring des Energiehaushaltes durch spezifische Nahrungs- bzw. Nahrungsergänzungsmitteln. Relevante Defizite bestimmter Makro- und Mikronährstoffe sollten in diesem Zusammenhang durch geeignete Blutuntersuchungen frühzeitig erkannt und substituiert werden. Mangelnde Regenerationszeiten oder Hinweise auf ein mögliches Übertraining sind oftmals bereits durch eine gründliche Anamnese zu eruieren.
Im Falle akuter Verletzungen oder Überlastungsschäden muss neben der unmittelbaren Therapie der zugrunde liegenden Ursache nachgegangen werden. Je nach Art der Verletzung sollten nach Ausschöpfen konservativer Therapiemethoden auch operative Maßnahmen erwogen werden.
DER AUTOR
Dr. med. Moritz Hüttel arbeitet als Assistenzarzt in der Klinik für Orthopädie und Sportmedizin / Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie im Klinikum Osnabrück. Er ist einer der Verbandsärzte im Deutschen Leichtathletik Verband und in der Deutschen Triathlon Union.