Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin

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Mit Sport gegen den unsichtbaren Feind:

Wie richtiges Training dabei hilft, dem Corona-Virus zu trotzen

 

Stay home, social distancing – und ab auf die Couch? Eben nicht! Gerade jetzt ist es wichtig mit der richtigen Dosis Sport das Immunsystem fit zu halten. Und das geht auch trotz Kontaktverboten.

Unsere Autoren Prof. Dr. Axel Urhausen (Luxemburg),  Dr. Sebastian Zeller (Luxemburg) und Prof. Dr. Martin Engelhardt (Osnabrück/D) zeigen auf, welcher Sport jetzt der Richtige ist, worauf im Training besonders zu achten ist und warum Bewegung zu einer stabileren Abwehr – auch gegen das Corona-Virus – beitragen kann. Zusätzlich erklären sie, warum in den Zeiten nach Kontaktverboten und Ausgangsbeschränkungen Sport besonders richtig und wichtig ist.

 

Covid 19 und Sport

 

Was ist das Coronavirus überhaupt?

Das neuartige Coronavirus (SARS-CoV-2) verursacht die Viruserkrankung COVID-19. Das Virus verbreitet sich hauptsächlich durch Tröpfcheninfektion (kleine Tröpfchen aus Mund und Nase werden über die Luft transportiert und eingeatmet oder gelangen an die Schleimhäute). Zudem ist auch eine Schmierinfektion über gemeinsame Kontaktflächen, und/oder eine Ansteckung über die Bindehaut möglich.

 

Wie kann eine Infektion möglichst vermieden werden?

Auf Grund der Infektionswege, sollten die folgenden Empfehlungen eingehalten werden:

 

 

Welche Verantwortung trägt jeder Einzelne?

Jeder von uns sollte sich der Gesellschaft gegenüber solidarisch zeigen und die oben genannten Empfehlungen einhalten. Jeder trägt dieselbe Verantwortung die weitere Ausbreitung des Virus einzudämmen. Sportler und Trainer nehmen dabei eine enorme Vorbildrolle ein. Auf Basis des solidarischen Ansatzes sollte das eigene Handeln überprüft und z.B. auch das Training angepasst werden. Junge Menschen zeigen zwar statistisch gesehen seltener komplizierte Verläufe einer COVId-19 Infektion mit akuten Atemproblemen, können aber im Einzelfall aus bisher noch nicht geklärten Gründen durchaus auch betroffen sein und vor allem andere, anfälligere, Personen in ihrem Umfeld anstecken.

 

Wie ist der aktuelle wissenschaftliche Stand zu COVID -19 und Sport?

Im Grunde ist die Studienlage noch unspezifisch, man weiß jedoch, dass COVID-19 in menschliches Gewebe eindringen kann. Dabei “dockt” das Virus über den sogenannten ACE2 Rezeptor an die Zelle und gelangt hinein. Das ACE System kommt in allen Gefäßen vor und reguliert die Weit- und Engstellung der Gefäße.      In der Lunge finden sich besonders viele dieser Rezeptoren, weil sie dort dafür sorgen, dass Gefäße nahe der Bronchien weit gestellt werden – dies ist während körperlicher Belastung von enormer Bedeutung. Hier kann COVID-19 besonders leicht „andocken“ und in die Zelle gelangen.

 

 

Worauf ist im Training besonders zu achten?

Grundsätzlich haben Sportler ein besseres Immunsystem als Personen, die nicht regelmäßig körperlich aktiv sind. Allerdings kann eine zu starke Verausgabung dazu führen, dass der Körper anfälliger für das Virus ist. Es gibt zum Beispiel eine zeitweilig erhöhte Infektanfälligkeit während der Stunden, im Extremfall auch Tagen, nach einer außergewöhnlich langen und intensiven Belastung (beispielsweise nach einem Marathonlauf) oder im Zustand eines Übertrainings. Auch eine Herzmuskel-Entzündung ist eine der gefürchteten Zusatz-Komplikationen. Wegen diesem sogenannten „Open-Window-Phänomen“ ist es aktuell keine gute Idee, plötzlich den ganzen Tag Sport zu treiben. Auch kurzfristige Überbelastungen gilt es zu vermeiden. Die aktuelle “Zwangspause” sollte also nicht dazu verführen, das Trainingspensum um mehr als ca. 30% zu erhöhen. Es sollte auch auf eine ausreichende Regeneration, einschließlich Schlaf, und eine gesunde und ausreichende Ernährung einschließlich Trinkmenge geachtet werden. Prinzipiell sollte bei der Auswahl der sportlichen Aktivität auch das Risiko einer Verletzung möglichst geringgehalten werden, um die derzeit angespannte Situation der Rettungsdienste und OP-Kapazitäten nicht unnötig zu verschärfen.

Wie bei anderen Infekten auch sollte man bei Beschwerden wie erhöhte Temperatur, Muskelschmerzen, Müdigkeit, Husten oder ungewöhnliche Luftnot, Halsschmerzen, verdickte oder schmerzhafte Lymphknoten (meist im Halsbereich), Durchfall oder auch (typisch für COVID-19) einen plötzlichen Verlust des Riechvermögens/Geschmacks, lieber zumindest für einige Tage ruhen. Hier gilt „Mut zur Pause“! Der Körper braucht seine Kräfte, um das Infektgeschehen einzudämmen.

Beim Coronavirus treten die genannten Symptome ca. 5- 10 Tage nach der Ansteckung auf. Sicherheitshalber sollte man sogar nach einem näheren Kontakt zu einer Corona-erkrankten Person einige Tage zumindest keine intensive körperliche Belastung einplanen. Trainiert man nun weiter, kann das Virus tiefer in die Lunge gelangen und vor allem auch ins Herzgewebe eindringen.

Dass sportliche Aktivität vielfältige positive präventive, aber auch therapeutische Auswirkungen hat – beispielsweise auf Herz-Kreislauf-, Krebs-, Stoffwechsel- und orthopädische Erkrankungen, ist bekannt. Sport hat aber auch interessante neurologisch-psychiatrische Effekte und wirkt beispielsweise antidepressiv. In unserer jetzigen Situation, in der wir weniger soziale Kontakte haben und vor die Tür gehen können, ist das von großem Interesse. Allerdings muss man sich cleverer anstellen, um die empfohlene Mindestleistung sportlicher Aktivität zu erreichen. Laut dem ganz aktuellen Entwurf der Weltgesundheitsorganisation WHO sollte das Ziel bei Kindern und Jugendlichen mindestens täglich 60 min moderate bis intensive körperliche Aktivität, besonders im aeroben Bereich, sein ; bei Erwachsenen mindestens 150 bis 300 min moderates Sporttreiben oder 75-150 min intensive Aktivitäten pro Woche (oder eine entsprechende Mischung aus beiden Intensitäten). Hierbei sollte vor allem eine Regelmäßigkeit in kurzen Trainingseinheiten angestrebt werden, also eher fünf Mal pro Woche 30 min, also zwei Mal pro Woche 75 min, Sport treiben.

Gerade in dieser Zeit der eingeschränkten Bewegung in den eigenen vier Wänden – mit möglicherweise dazu noch leichterem Zugang zu hochkalorischen ungesunden (Ersatz-)Nahrungsmitteln – besteht auch die Gefahr einer Körpergewichtszunahme. Und besonders im höheren Alter ist es nicht einfach, diese überflüssigen Pfunde wieder loszuwerden. Es wird empfohlen, sein Körpergewicht im Auge zu behalten und auf eine Ernährung mit viel Obst und Gemüse, weniger Kohlenhydraten und Fetten umzustellen. Beispielsweise sollte nicht mehr als 1x pro Woche Fleisch gegessen und der Konsum von Süßigkeiten, aber auch Teigwaren reduziert werden.

 

Warum kann ein trainierter Körper besser dem Erreger trotzen?

Bereits seit den 1990er-Jahren wird innerhalb der Sportmedizin im Bereich Sportimmunologie geforscht. Da geht es in erster Linie um den Einfluss von Sport auf die Infektanfälligkeit und um Impfungen. Es gibt verschiedene Barrieren in der Infektabwehr, auf die positive Auswirkungen des Sports nachgewiesen werden konnten. Das betrifft zum Beispiel die erste Abwehrreihe: Antikörper, wie die IGA, in den Schleimhäuten oder Speichel. Auch die zweite Abwehrreihe profitiert vom Sport. Die Aktivität der sogenannten Natürlichen Killerzellen, die bei Viren oder Tumorzellen eine Rolle spielen, ist bei Sportlern erhöht. Aber schon allein durch die Tatsache, dass der Körper in besserem Zustand ist, beispielsweise eine größere Muskelmasse, kommt er im Ernstfall nicht so schnell in eine kritische Situation.

Auch aus neurophysiologischer Sicht, also der „Gesundheit des Nervensystems“ und somit auch Gehirns, kann Sport einen wichtigen und positiven Anteil liefern. Regelmäßige körperliche Aktivität, vor allem Ausdauersport, ist hier als besonders wirkungsvoll anzusehen. Dies ist auch in der Prävention und Therapie von z.B. Depressionen wirksam.

 

Welches Risiko der Übertragung von Viren gibt es während des Sports?

Beim Sport hat man das gleiche Risiko wie im Alltag. Eine Übertragung über den Schweiß findet nicht statt. Allerdings können die virenhaltigen Tröpfchen mehrere Stunden auf Kontaktflächen aus Plastik oder Metall überleben. Es gelten dabei also die gleichen Vorsichtsmaßnahmen wie Handhygiene und Abstand halten. Es spricht nichts dagegen, zusammen Sport zu machen, wenn man sowieso zusammenwohnt.

 

Zu welchem Sport kann man derzeit raten?

Die gesunden Ausdauersportarten Joggen, Radfahren, Wandern, Walken etc. in der Natur sind aus medizinischer Sicht zu bevorzugen. Dazu Gymnastik, Yoga, Kraftsport zuhause. Sport in der Gemeinschaft (wie z.B. Ballsport) ist derzeit aufgrund der Schutzmaßnahmen nicht möglich.

 

Sport treiben nach der Corona-Welle

Die Corona Pandemie führt nicht nur zu einer medizinischen Herausforderung und einem weitgehenden Stillstand des öffentlichen Lebens.

Bereits jetzt sind nicht nur die Corona infizierten Patienten und das Personal betroffen, sondern zum Beispiel auch Zehntausende Menschen in Kurzarbeit, alleinerziehende Mütter und ihre Kinder, bis hin – durch Schließung von Obdachlosenheimen, Frauenhäusern sowie teilweise nicht mehr funktionierenden Tafeln – zu den Schwächsten in der Gesellschaft.

Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie werden trotz bestmöglicher staatlicher Sicherungsmaßnahmen dazu führen, dass es Firmeninsolvenzen und eine Zunahme von Arbeitslosigkeit sowie Armut geben wird. Das führt erfahrungsgemäß zu einem Anstieg von Depressionen, Angststörungen und anderer Erkrankungen.

Mit körperlicher Aktivität und Sport können wir diese Probleme sicher nicht allein lösen. Aber das Sporttreiben kann eine sehr wichtige Rolle beim Meistern der anstehenden Herausforderungen spielen.

Sporttreiben erhöht nicht nur wie oben aufgeführt die Widerstandskraft gegen die Erreger und sichert die Gesunderhaltung der Bevölkerung. Durch Sporttreiben wird das Selbstwertgefühl gestärkt, der konstruktive Umgang mit Niederlagen wie auch der Corona Pandemie verbessert und solidarisches Handeln gefördert.

Gemeinsames Sporttreiben nach Überwindung der Corona Pandemie kann uns wieder Freude und Spaß nach überstandenem Leid zurückbringen.

Fotos: Pixabay (7)


Die Autoren:

 

Prof. Dr. med. Axel Urhausen ist Gründungs-Leiter der Sport- und Präventivmedizin der Sportklinik am Centre Hospitalier de Luxembourg und seit 2018 Co-Direktor des weltweit 11. IOC Research Centre for Prevention of Injury and Protection of Athlete Health, ReFORM. Er ist aktueller Präsident der Luxemburger Sportmedizinischen Gesellschaft. Als Olympiaarzt nahm er bisher an 7 Olympischen Sommerspielen teil. 2016 wurde er von der GOTS als Sportarzt des Jahres ausgezeichnet.

 

 

 

Prof. Dr. med. Martin Engelhardt ist Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie und Ärztlicher Direktor des Klinikums Osnabrück. In den Jahren 2000 bis 2006 war er Präsident der GOTS. Heute steht er im Vorstand der Gesellschaft als Schriftführer zur Seite. Prof. Engelhardt ist Vorstandsvorsitzender der Wissenschaftsinstitute IAT Leipzig und FES Berlin und Präsident der Deutschen Triathlon Union.

 

 

 Dr. Sebastian Zeller ist Sportwissenschaftler und High-Performance Manager beim Luxemburgischen Olympischen Komitee. Zuvor war er zehn Jahre Dozent an der Deutschen Sporthochschule Köln für Triathlon, Schwimmen und Leistungsphysiologie. Sein Forschungsschwerpunkt lag dort auf den Gebieten der Leistungs- und Neurophysiologie im Sport von Menschen mit einer körperlichen Behinderung – speziell im Handcycling, in der Sportart in der er als Trainer drei Paralympische Medaillen zu verantworten hat.

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