Mit der Einführung ambulanter Zentrifugationsverfahren gewannen Blutderivate in der orthopädischen Praxis zunehmend an Bedeutung, da sie point-of-care Behandlungen mit autologen Blutbestandteilen ermöglichen. Besonders Thrombozytenkonzentrate wie PRP stehen im Fokus der Anwendungen am Bewegungsapparat. Die Vielzahl an Herstellungsverfahren und Anwendungstechnologien führt zu erheblichen Unterschieden in der Zusammensetzung der Blutderivate, was die Definition allgemeiner Wirkmechanismen und Indikationen erschwert. Während sich frühere Studien vor allem auf Wachstumsfaktoren konzentrierten, zeigen neuere Erkenntnisse, dass auch extrazelluläre Vesikel – lange unterschätzte Bestandteile von Blutprodukten – eine Rolle spielen. Diese enthalten Signalstoffe wie microRNAs, die nachhaltige Veränderungen des Zellverhaltens bewirken können. Eine Standardisierung der Herstellungs- und Applikationsverfahren könnte dazu beitragen, die klinische Wirksamkeit besser darzustellen. Während erste klinische Studien positive Effekte nahelegen, bleibt der Einsatz von Blutderivaten weiterhin Gegenstand wissenschaftlicher Debatten.
Wie wirken Blutderivate?
Blut spielte in der Medizingeschichte stets eine große Rolle. Eine erste spezifische Anwendung erfolgte um 1905 mit Fibrin als Hämostyptikum und Klebesubstanz. Blutderivate wie „platelet-rich plasma“ (PRP) wurden 1954 von Kingsley geprägt. PRP ist ein konzentriertes Thrombozytenpräparat in einer Plasmafraktion, das Wachstumsfaktoren enthält und die Geweberegeneration fördert. Marx beschrieb erstmals dessen Nutzen für die Knochenbildung. Daraus entwickelten sich Anwendungen bei Wundheilungsstörungen. Die breitere klinische Einführung von PRP begann in den 1990er Jahren in der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie. 2010 erlangte PRP Popularität in der Sportmedizin, besonders nach einem Bericht über die erfolgreiche Nutzung bei einem Footballspieler während des Superbowls. Heute bleibt PRP ein zentraler Bestandteil der regenerativen Medizin mit kontinuierlicher Forschung zu neuen Anwendungen und Wirkprinzipien.
PRP wird aus Vollblut durch ein- oder zweistufige Zentrifugation gewonnen, um zelluläre und lösliche Bestandteile zu trennen. Zur Gerinnungshemmung wird meist Citrat als Antikoagulans verwendet, alternativ Citratdextrose oder Heparin. Einige Systeme enthalten kein Antikoagulans, wodurch die natürliche Gerinnung erfolgt, während andere absichtlich gerinnen, um autologes konditioniertes Serum (ACS) oder plättchenreiches Fibrin (SPRF) mit freigesetzten entzündungshemmenden Zytokinen wie Interleukin-1-Rezeptorantagonist zu gewinnen.
Nach der ersten Zentrifugation bildet sich der buffy coat zwischen Plasma- und Erythrozyten-Fraktion, angereichert mit Leukozyten. Wird er mit der flüssigen Phase appliziert, spricht man von Leukozyten-reichem PRP, was Einfluss auf biologische Wirksamkeiten haben kann. Biologische Effekte umfassen Förderung der Zellproliferation, Hemmung entzündlicher Prozesse, Regulation der Fibrose sowie Induktion von Angiogenese und Wundheilung.
Die Thrombozytenkonzentration in PRP variiert je nach Spender, im Vergleich zu Vollblut ist sie 2- bis 7-mal höher. Die Wahl des Antikoagulans, des Präparationssystems und Zentrifugationsprotokolls tragen zur Variabilität von PRP-Präparationen bei. Unterschiede bestehen auch in der Leukozytenkonzentration und dem Aktivierungszustand. Geschlossene PRP-Systeme erhöhen die Infektionssicherheit, und moderne Zentrifugen ermöglichen die Herstellung verschiedener PRP-Varianten.
Bisher wenig beachteten Bestandteilen von Blutderivaten, die extrazellulären Vesikel (EV), werden am Zentrum für Regenerative Medizin an der Universität für Weiterbildung hinsichtlich neuartiger Wirkmechanismen im Kontext einer PRP-Behandlung beforscht. EVs sind biogene Membranumschlossene Nanopartikel mit einem Größenspektrum von etwa 30-1000 Nanometern. Der Begriff EV umfasst verschiedene Kategorien von EVs, abhängig von ihrem Biosyntheseweg in der Zelle. Kleine EVs mit einer Größe von etwa 30-150 nm werden als Exosomen bezeichnet. EVs sind in Körperflüssigkeiten wie Blut und PRP vorhanden und werden von Thrombozyten bei der PRP-Aktivierung freigesetzt. Sie fungieren als interzelluläre Boten und transportieren mRNAs, miRNAs, Lipide und Proteine, die Genexpression und Zellfunktionen beeinflussen. Besonders miRNAs regulieren entzündliche und regenerative Prozesse und zeigen nachhaltige anti-inflammatorische und regenerative Effekte.
PRP für intraartikuläre Anwendungen bei degenerativer Gelenkerkrankung
Die Unterschiede in Herstellung, Zusammensetzung und Anwendung von PRP erschweren eine einheitliche Bewertung der klinischen Evidenz. Grundlagenstudien zeigen vielversprechende krankheitsmodifizierende Effekte in Arthrose-Tiermodellen sowie erste Erkenntnisse zu Dosis-Wirkungs-Beziehungen. Mehrere aktuelle Level-I- und Level-II-Studien bestätigen die Wirksamkeit von PRP bei Kniearthrose (KOA), wenngleich es auch Studien mit gegensätzlichen Ergebnissen gibt.
In klinischen Untersuchungen zeigte sich PRP im Vergleich zu Hyaluronsäure (HA) meist gleichwertig oder überlegen, wobei die Wirkung mit wiederholten Injektionen zunimmt. Systematische Übersichtsarbeiten weisen darauf hin, dass PRP bei KOA bessere klinische Ergebnisse als HA erzielt, insbesondere hinsichtlich Schmerzreduktion und Funktionsverbesserung. Die Sicherheit beider Verfahren ist vergleichbar.
Eine umfassende Metaanalyse mit 34 randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) und insgesamt 1403 PRP-behandelten sowie 1426 Kontroll-Kniegelenken ergab, dass PRP im WOMAC-Score besser abschnitt als Placebo, HA und Kortison. Dennoch wurde nicht in allen Parametern eine klinisch relevante Verbesserung erreicht. Dies bedeutet, dass die angestrebte Wirksamkeit nicht in jedem Fall erzielt wird. Vergleicht man PRP jedoch mit nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) oder reinen Schmerztherapien, erscheint die Anwendung von Blutderivaten vorteilhafter, insbesondere im Hinblick auf Nebenwirkungen.
Filardo et al. zeigten in ihrer Metaanalyse, dass PRP kurzfristig signifikante Effekte erzielt, während die Langzeitwirkung gegenüber Placebo noch deutlicher ausfällt – mit nachgewiesener Wirksamkeit über ein Jahr. Allerdings konnte bislang keine Studie eine echte Krankheitsmodifikation oder eine Verbesserung des Arthrosegrades nachweisen. PRP scheint vielmehr den Krankheitsverlauf zu verlangsamen und Symptome zu lindern. Das Nebenwirkungsrisiko ist gering und beschränkt sich größtenteils auf die geringe Infektionsgefahr bei der Injektion, die durch geschlossene Herstellungssysteme und sterile Applikation weiter minimiert werden kann.
Die Frage, ob leukozytenreiches (LR) oder leukozytenarmes (LP) PRP bei Gonarthrose wirksamer ist, bleibt bislang unbeantwortet. Beide Varianten zeigen positive klinische Ergebnisse, unterscheiden sich jedoch in ihren Wirkmechanismen. Zukünftige Forschung muss klären, welche Formulierung je nach Gelenkzustand – ob akute Entzündung, fortgeschrittene Gonarthrose oder reizlose Arthrose – die beste Wirkung erzielt.
Conclusio
PRP kann bei Patienten mit frühen degenerativen Knieveränderungen (Kellgren-Lawrence 1–3) eine effektive Schmerzlinderung bewirken und sollte insbesondere bei moderater Knie-Osteoarthrose in Betracht gezogen werden. Für Patienten mit fortgeschrittener Osteoarthrose (Kellgren-Lawrence 4) wird die Anwendung jedoch nicht empfohlen. Klinische Studien zeigen, dass leukozytenarmes PRP die bevorzugte Methode zur Behandlung von Osteoarthritis ist. Zukünftige Forschung sollte sich auf eine standardisierte Herstellung von Blutderivaten sowie auf differenzierte Anwendungsprofile konzentrieren. Dabei gilt es, internationale Behandlungsrichtlinien zu beachten, die Injektionstherapien nicht als Erstlinientherapie empfehlen. Vorrang haben konservative Maßnahmen wie Lebensstil- und Ernährungsanpassungen, um eine langfristige Behandlung von Arthrosepatienten zu gewährleisten.
Fazit für die Praxis
- Grundlagenwissenschaftliche Arbeiten zeigen positive Effekte von PRP auf Knorpelgewebe und bei Gonarthrose
- Zu bevorzugen sind geschlossene Herstellungssysteme
- Klinische Daten zeigen eine mindestens gleichwertige bis überlegene Wirkung von PRP verglichen mit Hyaluronsäure bei Gonarthrose
- Nach wie vor erschweren die Variabilität der Herstellung, Zusammensetzung und Applikation von PRP die klinische Evaluierung
DIE AUTOREN
Stefan Nehrer, Alexander Otahal, Andrea De Luna, Markus Neubauer
Zentrum für Regenerative Medizin, Universität für Weiterbildung Krems, Dr.-Karl-Dorrek-Straße 30, 3500 Krems
Korrespondenzadresse:
Univ. Prof. Dr. Stefan Nehrer, Zentrum für Regenerative Medizin
Universität für Weiterbildung Krems, Dr.-Karl-Dorrek-Strasse 30, 3500 Krems
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