Sehr geehrte Damen und Herren,
fast 1,5 Millionen Tennisspieler zählt der Deutsche Tennis Bund in seinen Reihen. Die populäre Sportart findet im Spitzen- und Breitenbereich viel Beachtung. Wir betrachten den Tennissport in diesem Newsletter aus der Sicht der Sportmedizin. Die Veröffentlichung und Weiterverbreitung des Materials ist freigegeben.
Mit freundlichen Grüßen
Frank Wechsel und Dr. Wolfgang Schillings, GOTS-Pressesprecher
Tennis aus sportmedizinischer Sicht
Tennis zählt zu den populärsten Sportarten weltweit. Allein im Deutschen Tennis Bund sind annähernd 1,5 Millionen Tennisspieler organisiert. Tennis wird als klassische Rückschlagsportart als „Einzel“ oder „Doppel“ gespielt. Die für den Spielverlauf erforderlichen Bewegungsmuster lassen sich entsprechend der Spielsituation als Aufschlag und Return, Grundlinien- und Netzspiel definieren. Das 1877 in Wimbledon erstmals mit dem heutigen Reglement durchgeführte Tennisspiel kann auf Hallen- oder Außenplätzen mit unterschiedlichen Belägen wie Sand, Rasen, Teppich oder Hartplatz ausgeübt werden.
Der Tennis-Spielbetrieb gliedert sich in Einzel- und Doppelkonkurrenzen sowie in Ligen organisierte Mannschaftswettbewerbe, die auf lokaler, regionaler, nationaler oder internationaler Ebene ausgetragen werden können. In Deutschland leiten der Deutsche Tennisbund und seine Landesverbände den Spiel- und Turnierbetrieb und bilden die personellen, strukturellen und inhaltlichen Voraussetzungen der Trainerausbildung und Sportlerbetreuung. Auf internationaler Ebene werden Reglement, Profiturniere sowie Spielerbelange vorrangig durch die Spielervereinigungen ITF (International Tennis Federation), ATP (Association of Tennis Professionals) und WTA (Womens Tennis Association) koordiniert.
Technik und Athletik im Tennis haben in den letzten Jahren eine neue Dimension erreicht. Kurze und extrem schnelle Ballwechsel, hohe Aufschlaggeschwindigkeiten, die peitschenartige Rückhand und extreme Griffhaltungen verlangen dem Bewegungsapparat Höchstleistungen ab, die oftmals an die Grenzen der Belastungsverträglichkeit reichen.
Verletzungen und Extrembedingungen beim Tennis
Während akute Verletzungen im Tennis hauptsächlich das Knie- und das Sprunggelenk betreffen, werden chronische Verletzungen und Überlastungsschäden vor allem im Bereich der Wirbelsäule, der Schulter und des Ellenbogens beobachtet. Verletzungsrisiko und Verletzungshäufigkeit beim Tennis werden neben allgemeinen Parametern wie Alter, Geschlecht, Trainingszustand und Konstitution insbesondere durch die äußeren Bedingungen (v.a. Temperatur, Bodenbelag) beeinflusst. Extreme Hitzebedingungen mit über 40 Grad Celsius werden regelmäßig bei den Australien Open, aber auch bei anderen Turnieren erreicht. Hauptproblematik ist ein im Spielverlauf zunehmender Elektrolytverlust mit Dehydratation (Verlust von Körperwasser) und daraus resultierender Kreislaufbelastung sowie Erhöhung der Körperkerntemperatur. Die top-trainierten Profis sind ganz überwiegend an diese klimatischen Extrembedingungen adaptiert. Zudem wird in den Spielpausen mit Kühlschläuchen, elektrolytreichen Getränken, Kältepackungen und nach den Matches auch mit Eisbädern optimal auf die Hitze reagiert. Dennoch gilt, dass mit zunehmender Außentemperatur das gesundheitliche Risiko für den Spieler zunimmt. Bei extremer Hitze unterliegt es dem Turnierveranstalter in Abstimmung mit den verantwortlichen Turnierärzten und Vertretern der Spielervereinigung, Spielverläufe zu unterbrechen („extreme heat policy“).
Verletzungsprofile beim Tennis
- Schulter
Beim Aufschlagspiel wird insbesondere die Stabilität des Schultergelenks beansprucht. Mechanisch resultiert eine chronische Überlastung und Deformation der Kapsel-Band Strukturen sowie letztlich eine nach vorne gerichtete vermehrte Verschieblichkeit des Oberarmkopfs. Das klinische Bild beinhaltet Schmerzen bei Überkopf-Aushol- und Außendrehung mit gleichzeitiger Verringerung der Stabilität im Schultergelenk. Auf diese Problematik sollte bereits beim jugendlichen Tennissportler geachtet werden, da nicht selten schmerzhafte Störungen der Kinematik des Schultergelenks resultieren können. - Ellenbogen
Die aus einer chronischen Überlastungskaskade generierte Problematik des Tennisellenbogens stellt einen degenerativen Prozess der Sehnenansätze der Beuge- und/oder Streckmuskulatur am Unterarm dar. In der Entstehung ist die über das Racket und die Hand auf den Unterarm übertragene hochfrequente Vibration entscheidend. Im Primärstadium führt dies zu einer schmerzhaften Irritation der Sehnenansätze. Während primäre Stadien positiv auf konservative Therapiemaßnahmen ansprechen, impliziert die fortdauernde Belastung bei inadäquater Behandlung eine Progression in das Stadium der irreversiblen degenerativen Sehnenveränderung. Bei irreversiblen symptomatischen Veränderungen wird der Tennisellenbogen operationspflichtig. - untere Extremität
Das Belastungsprofil der unteren Extremität wird durch einen hohen Anteil plötzlicher Stopps sowie schneller Dreh- und Abbremsbewegungen bestimmt. Die spezifischen Problemkomplexe stellen überwiegend akute Verletzungsmechanismen dar. Vorwiegend in der physisch anspruchsvollen Wettkampfphase wird eine hohe Anzahl von Muskelzerrungen und Muskelfaserrissen beobachtet. Diese befinden sich zumeist im Bereich der Oberschenkelbeugemuskulatur sowie – als Resultat explosiver Sprung- und Sprintbelastungen – im Übergang zwischen Wade und Achillessehne („tennis leg“). - Fuß und Sprunggelenk
Die dominierende Verletzung des Tennisspielers im Bereich des Fußes ist die Distorsionsverletzung des oberen Sprunggelenks, wobei die Häufigkeit sowohl vom Bodenbelag als auch von der Schuhtechnologie abhängig zu sein scheint. Entsprechend leistet eine optimale individuelle Schuh- und Einlagenversorgung einen entscheidenden Beitrag zur Prophylaxe von Sprung- und Kniegelenksverletzungen und vermag den nicht zu unterschätzenden Problemkomplex schmerzhafter Hornhautbeschwielungen im Zehen- und Vorfußbereich („tennis toe“) sowie pilzbedingter Hautaffektionen („athlete’s foot“) positiv zu beeinflussen.
Vorbeugung von Verletzungen beim Tennis
Verletzungsprävention ist nicht nur im Bereich des Profi-Tennis ein wichtiges Thema. Gerade im Hinblick auf die Leistungsentwicklung von Nachwuchstennisspielern kommt dem Verständnis der Belastungsprofile und daraus resultierenden Überlastungsschäden besondere Bedeutung zu. Mit einer umfassenden medizinischen Versorgung sowie professioneller Trainingsbetreuung können Verletzungsprobleme talentierter Nachwuchsspieler deutlich reduziert werden. Daneben spielen die optimale Anpassung von Schlägergriff und Bespannung eine wichtige Rolle. Im Hinblick auf die individuelle Leistungsentwicklung kommt auch der sportmedizinischen Kaderuntersuchung eine besondere Bedeutung zu. Deren Aufgabe ist es, gezielte Konzepte zur Optimierung von Training und Betreuung leistungsorientierter Tennisspieler zu erarbeiten. Die effiziente Betreuung leistet neben regelmäßigen Laboruntersuchungen, Infektionsscreening und Impfbetreuung eine präzise Analyse der körperlichen Belastbarkeit auch unter Simulation verschiedener äußerer Belastungsfaktoren wie Hitze, Feuchtigkeit und Höhe mittels Ergometrie, Herzultraschall und Elektrokardiografie. Ergänzend bieten orthopädisch-biomechanische Untersuchungen der Körperstatik, Leistungs- und Performance-Testungen sowie die Beurteilung komplexer Bewegungsabläufe Grundlagen zur Technikoptimierung und Verletzungsprävention.
Tabelle 1: Verletzungshäufigkeiten im professionellen Tennis (ATP-Statistik)
Hand: 8,5 %
Ellenbogen: 5,8 %
Schulter: 8,0 %
Rumpf/Wirbelsäule: 17,0 %
Knie: 8,0 %
Unter-/Oberschenkel: 12,1 %
Fuß/Oberes Sprunggelenk: 9,8 %
Tabelle 2: Außentemperatur und Gesundheitsrisiko im professionellen Tennis (Quelle: ATP medical guide)
18 °C: low risk
18-23 °C: moderate risk
23-28 °C: high risk
über 28 °C: very high risk
Tabelle 3: Verletzungen der unteren Extremität von Tennisspielern in Abhängigkeit vom Bodenbelag (ATP-Statistik)
Hartplatz: 51 %
Sand: 33 %
Rasen: 11 %
Teppich: 5 %
Über den Autor:
Prof. Dr. med. Rüdiger Schmidt-Wiethoff, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Spezielle Orthopädische Chirurgie, Sportmedizin, Leitender Arzt der ARCUS Sportklinik Pforzheim, ATP Turnierarzt seit 1997, ATP tour tournament physician oft the year 1999, Mannschaftsarzt Team Uzbekistan Olympia 2004, Mannschaftsarzt Bundesliga Turnteam Toyota Köln 2001-2007, GOTS-Ehrenbeiratsmitglied