Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin

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Turnen: Von Training, Torsion und Traumata

Sehr geehrte Damen und Herren,
Am 4. Oktober starten die Turnweltmeisterschaften in Stuttgart. Die Vorbereitung auf die Heim-WM ist für die deutschen Turner wegen vieler Verletzungen ein Wettlauf gegen die Zeit. Gebrochener Mittelhandknochen, Sehnenanriss in der Schulter – Turner müssen hart gegen sich selbst sein, den Druck aushalten und dürfen vor allem nicht aufgeben.

Turnen ist Dynamik, Kraft und Ästhetik. Wie schwer das Training am Boden, am Pauschenpferd, den Ringen, an Sprung, Barren und Reck ist und welche Kräfte dabei auf die Athleten einwirken, veranschaulicht uns im neuesten Newsletter Dr. med. Hans-Peter Boschert aus Freiburg.

Der Sportmediziner war selbst erfolgreicher Turner in der 1. und 2. Bundesliga. Seit nunmehr 29 Jahren ist er als Mannschaftsarzt bei den wichtigen Turner-Events im Einsatz. Sein persönlicher Höhepunkt war der Gewinn der Bronzemedaille der Männer bei der Weltmeisterschaft 2007 in Stuttgart. Boschert wird „nachgesagt“, dass er in “Diensten” des DTB bestimmt die gleiche Zeit in der Turnhalle verbracht hat wie in seiner Praxis.

Drücken wir also Dr. Hans-Peter Boschert und „seinen Turnern“ für Stuttgart wieder die Daumen!

Herzlichst,
Ihre Kathrin Reisinger, GOTS-Pressesprecherin (presse@gots.org)

Spezielle Erkrankungen eines Turners

Turnen – eine Übersicht

Vom 4. bis 13. Oktober 2019 finden die diesjährigen Weltmeisterschaften in Stuttgart statt. Hier treffen die derzeit 24 besten Teams der Welt aufeinander, um gleichzeitig auch die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio 2020 aus zu turnen. Die 12 besten Mannschaften werden sich dabei qualifizieren.

Seit Athen 1896 ist das Geräteturnen durchgängig im olympischen Programm. Im männlichen Bereich werden an den olympischen Geräten Boden, Pauschenpferd, Ringe, Sprung, Barren und Reck Mannschaftswettkämpfe, Einzelmehrkampf (alle 6 Geräte) und Finals an den einzelnen Geräten durchgeführt.

Anforderungsprofil

Das moderne Gerätturnen ist durch eine hohe Spezialisierung gekennzeichnet. Es werden hohe Anforderungen an die Athleten hinsichtlich motorischer Grundeigenschaften (Kraft, Kraftausdauer, Beweglichkeit, Schnelligkeit), psychomotorischer Grundleistungen (motorische Lernfähigkeit, Bewegungsgedächtnis, Bewegungspräzision, Bewegungsadaptation, psychodynamische Fähigkeit, Kognition), Koordination und Konzentration gestellt.

Wertungsvorschriften

Nach den internationalen Wertungsvorschriften (Code de Pointage) setzt sich die Benotung der Übung aus dem Schwierigkeitsgrad (D-Note) und der Ausführung (E-Note) zusammen. Die D-Note ist nach oben offen und wird durch 2-D-Kampfrichter festgelegt. Dabei müssen pro Übung 10 Elemente aus verschiedenen Elementgruppen geturnt werden. Jedes Element hat je nach Schwierigkeit einen festgelegten Punktwert. Die E-Note beträgt maximal 10 Punkte und ergibt sich aus dem Mittelwert von 4-6-E-Kampfrichtern. Die jeweils höchste und niedrigste Note wird gestrichen. Zusätzlich benoten zwei weitere Referenz-Kampfrichter die Übung. Sollte der Mittelwert des E-Kampfgerichts zu weit vom Mittelwert der Referenzkampfrichter entfernt sein, wird ihre Note in die Endnote mit eingehen.

Belastungsprofil

Um mit der rasanten internationalen Entwicklung Schritt halten zu können, sind hohe Trainingsumfänge und Belastungswiederholungen nötig. Daraus resultieren teils große mechanischen Belastungen (alle äußeren und inneren Kräfte, die am Bewegungsapparat ansetzen und auf biologische Strukturen einwirken):

Von den rein mechanischen Belastungen sind Beanspruchungen die Art und Weise, wie eine äußere mechanische Kraft auf eine biologische Struktur wirkt) abzugrenzen Das bedeutet, dass eine vergleichsweise geringe mechanische Belastung trotzdem zu einer großen Beanspruchung führen kann. Ursächlich hierfür sind häufig:

Verletzungen und Überlastungsschäden

Bei Verletzungen kommt es als Folge eines einmaligen akuten Traumas zu einer Strukturschädigung am Stütz-und Bewegungsapparat.

Bei Überlastungsschäden entstehen durch repetitive Mikrotraumatisierungen ebenfalls Strukturschädigungen. Eine Sonderform von Überlastungsbeschwerden stellen die Epiphysen- und Apophysenfugen Heranwachsender dar, die insbesondere in Phasen von Wachstumsschüben anfälliger gegenüber Belastungen sind – aufgrund der Diskrepanz von Belastung und Belastbarkeit der Wachstumsfugen.


Abb.: Knorpel-Verknöcherungsstörungen an Epi- und Apophysen bei Turnern 2010-2016

Die obigen Diagramme zeigen die Ergebnisse einer retrospektiven Auswertung aus den Jahren 2010-2016. Es wurden insgesamt 100 Turner (68 Junioren im Alter von 14-17 Jahren und 32 Senioren im Alter von >18 Jahren) hinsichtlich Verletzungen und Überlastungsbeschwerden ausgewertet. Im gesamten Zeitraum kam es zu insgesamt 173 Verletzungen (Junioren 68, Senioren 105) und 231 Überlastungsproblemen (Junioren 83, Senioren 148). Mehr als die Hälfte der Überlastungsbeschwerden bei den Junioren betrafen dabei die Wachstumsfugen.

Knapp die Hälfte aller Verletzungen in beiden Altersgruppen betrafen die Sprunggelenke (28%) und Kniegelenke (19%) mit überwiegend Kapselbandverletzungen am oberen Sprunggelenk, Bone bruises des Talus und Tibiakopf sowie vordere Kreuzband- und Meniskusverletzungen. Verletzungsursache waren meist Distorsionen der Gelenke oder Hyperextensionstraumata bei Landungen am Boden oder vom Gerät.

Bei den Überlastungsproblemen waren in erster Linie in beiden Altersgruppen die Schultergelenke (29%), Handgelenke (24%) sowie untere LWS (15%) betroffen. An den Schultergelenken bestanden häufig Tendinosen der Supraspinatussehne, lange Bicepssehne und Subscapularissehne bis hin zu Rupturen der betroffenen Sehnen und SLAP-Läsionen, wobei relativ häufig operative Maßnahmen meist bei älteren Turnern notwendig wurden. Bei den Handgelenken waren meist der Discus triangularis und die Handwurzelgelenke betroffen. Im LWS-Bereich Bogenwurzelödeme der unteren beiden Wirbelsegmente bis hin zu Spondylolysen. Da die Ödeme meist sehr frühzeitig diagnostiziert wurden, erfolgte schon zu Beschwerdebeginn eine Belastungsreduktion und Therapie.

Bei den wachstumsbedingten Überlastungen waren die Epi-und Apophysen fast aller Körperregionen betroffen mit Schwerpunkt distale Radius- und Ulnaepihyse, Tuberositas tibiae, Olecranon und distale Tibiaepiphyse.

©Pixabay (2)

Prävention zur Vermeidung / Reduktion sportartspezifischer Verletzungen und Überlastungsschäden

Zur Prävention von Verletzungen und Überlastungsschädigungen spielt das Voraussetzungstraining eine zentrale Rolle. Hierzu gehören insbesondere:

All diese Fähigkeiten müssen im Voraussetzungstraining erarbeitet und im Laufe der gesamten sportlichen Karriere begleitend durchgeführt werden. Insbesondere im Kindes- und Jugendalter und speziell in den prägenden Lebensjahren von 6–12 erlernt, sind sie entscheidend für das Erreichen einer optimalen Bewegungstechnik, die im Hinblick auf eine Reduktion von Fehlbelastung und Fehlbeanspruchung und somit des Verletzungsrisikos und Reduzierung von Überlastungsschäden grundlegend ist. Zur Sicherung der vollen Belastbarkeit des Stütz- und Bewegungsapparats im ständigen Wechsel von statischer und dynamischer Beanspruchung sowie für eine physiologische Durch Bewegung aller Wirbelsäulenabschnitte und Gelenke ist eine allseitige Kräftigung der gesamten Rumpfmuskulatur sowie sämtlicher gelenküberschreitender Muskulatur und der Gesäßmuskulatur erforderlich und muss in das tägliche Trainingsprogramm aufgenommen werden.

Der Autor

Dr. med. Hans-Peter Boschert arbeitet als Arzt für Allgemeinmedizin, Sportmedizin und Osteopathie sowie als Ernährungsexperte in der Praxis ini „Die S ortortho aeden“ an den Heilquellen Freiburg. Als Verbandsarzt im Deutschen Turnerbund betreut er die männlichen Turner seit 1990. Als Sportmediziner begleitete er die Olympischen Spiele Sydney 2000, Athen 2004, Peking 2008, London 2012 und Rio 2016 und betreut die jährlich stattfindenden Welt- und Europameisterschaften seit 1994. 2017 wurde Boschert als GOTS-Sportarzt des Jahres ausgezeichnet.


GOTS-Kongress 2020

Berlin, ick liebe Dir – die GOTS zu Gast in der Hauptstadt

Die Abstract-Einreichung ist geöffnet – Deadline: 1. Dezember 2019. Zur Einreichung geht es hier.


GOTS-Aktivitäten

EXPERTENMEETING Prävention

Vom 19. bis 22. September fand in Canach /Luxemburg das GOTS-Expertenmeeting „PRÄVENTION“ statt Insgesamt 30 Kollegen aus der orthopädisch-traumatologischen Sportmedizin berieten und diskutierten in verschiedenen Arbeitsgruppen die wichtigsten Themenfelder. Dazu gehörten die Epidemiologie der Sportverletzungen, die Ökonomie, Methodologie und Zukünftige Forschungsfelder genauso wie die Evidenz für Prävention am Knie, an der Schulter, der Hüfte und dem OSG. Darüber hinaus ging es um Spezielle Aspekte im Kindes-/Jugendalter, um die Implementierung der Prävention und Verschiedene Aspekte einzelner Sportarten. Abschließend wurden zusammenfassende Empfehlungen der GOTS zur Prävention von Sportverletzungen erarbeitet. Diese werden in einer gemeinsamen Publikation „Primärprävention von Sportverletzungen und –sch den“ bis zum nächsten Jahreskongress der GOTS veröffentlicht.

Im Rahmenprogramm stand für alle Aktiven das Radfahren im Vordergrund. Auf Rennrädern und Mountainbikes wurden verschiedene Strecken gefahren. Die Radtour endete an politisch historischer Stätte in Schengen. Rechts im Bild die GOTS-Präsidenten Romain Seil, Stefan Nehrer und Martin Engelhardt vor den Stehlen die an die Unterzeichnung des Schengen-Abkommens erinnern. Am Dreiländereck
Luxemburg, Frankreich und Deutschland symbolisiert die GOTS-Führung ihr aktives Engagement im Sinne der Europäischen Union und der von ihr gelebten Werte: Frieden, Meinungs-und Wissenschaftsfreiheit, sowie länderübergreifende Zusammenarbeit – dafür steht auch die GOTS.


GOTS-Projekte

Deutschsprachiges Arthroskopieregister (DART)


Hier registrieren.
Schon über 2.500 Patienten bei DART

2.528 Fälle von Patienten sind bereits bei DART dokumentiert. Das übertrifft alle Erwartungen. Erste Ergebnisse gibt es Ende des Jahres. Rund 300 teilnehmende Ärzte sorgen gemeinsam mit ihren Patienten dafür, dass schon jetzt umfangreiche Falldokumentationen vorliegen. Mit rund 1.944 Patienten ist das Modul Knie erwartungsgemäß am umfangreichsten… mehr

Wer arthroskopiert wie und wo?

Mehr als zwei Drittel der niedergelassenen Ärzte arthroskopieren ambulant und stationär. Ambulant operieren die Ärzte häufiger im Krankenhaus als in eigenen OP-Räumen oder in ambulanten OP-Zentren… mehr

DART: Bronze, Silber, Gold?

Je nach Anzahl der dokumentierten Fälle erhalten Sie den Status Bronze, Silber, Gold. Damit können Sie bei Patienten punkten. Als DART Science Partner dokumentieren Sie detailliert die Fälle. Damit tragen Sie neben der Qualitätssicherung aktiv zur wissenschaftlichen Versorgungsforschung bei… mehr


GOTS-Aktivitäten

Scheck über 1000 Euro an Wings for Life übergeben

Mit Freude konnten wir den Scheck der zum GOTS-Kongresslauf erlaufenen Kilometer an Wings for life übergeben. Der Dank geht an alle Teilnehmer! Wir freuen uns, mit dieser GOTS-Aktivität einen Beitrag zur Rückenmarksforschung zu leisten.

In Vorfreude auf neue Aktivitäten
Dr. Rolf Michael Krifter


ESSKA Speciality Days 2019

Foot and Ankle (AFAS) – https://esska-specialitydays.org/afas-section-programme/

Knee (EKA) – https://esska-specialitydays.org/eka-section-programme/

Shoulder (ESA) – https://esska-specialitydays.org/esa-section-programme/

Sports Medicine (ESMA) – https://esska-specialitydays.org/esma-section-programme/


GOTS-Aufruf

Waren Sie als betreuender Arzt auf namhaften Sportveranstaltungen, haben Sie Neues von Ihren Symposien, Workshops, Veranstaltungen, aus Ihren Kommissionen oder gibt es neue bedeutende Publikationen von Ihnen? Dann freuen wir uns auf Zusendung von Texten und Fotos oder einfach nur Stichpunkten / Links dazu, um alles multimedial vermarkten zu können.

Die Adresse: presse@gots.org

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