Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin

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Voll der Korb: Im Einsatz für den Basketball

Anfang September wird Deutschland zum inzwischen fünften Mal (nach 1971, 1985, 1993 und 2015) Gastgeber der Basketball Europameisterschaft sein. Neben einer der vier Vorrunden-Gruppen wird auch die Finalrunde in Deutschland ausgetragen. Nach den pandemiebedingten Verzögerungen, unter anderem mit Verschiebung der Olympischen Spiele um ein Jahr, werden die kontinentalen Titelkämpfe nun ebenfalls mit einem Jahr Verzögerung stattfinden.

Dies sollte Anlass genug sein, Basketball einmal wieder aus sportmedizinischer Sicht zu beleuchten. Das 1891 von Dr. James Naismith erfundene Spiel hat wenig mit der heutigen hochdynamischen Sportart gemeinsam. Initial war zum Beispiel noch kein Dribbling erlaubt und ein Spieler wurde nach der zweiten Regelverletzung disqualifiziert. Zudem ist der moderne Basketball bei weitem kein körperloser Sport mehr.

 

 

Belastung der Spieler

Die Belastung der Spieler während der Saison hat in den letzten Jahren zugenommen. Während in der NBA schon immer 82 Saisonspiele plus bis zu 28 Playoffspiele Standard waren, wird auch in Europa zunehmend mehr gespielt. Ein Euroleaguespieler muss aktuell ebenfalls 80-90 Vereinsspiele absolvieren, bei vielen Spielern kommen dann noch Einsätze für die Nationalmannschaft hinzu.

Auch wenn sich in den letzten Jahren eine Tendenz zum Smallball, also dem Einsatz eher kleinerer, schnellerer Spieler, gezeigt hat, sind die Spieler, verglichen mit der Normalbevölkerung, überdurchschnittlich groß. Dies ist natürlich positionsgebunden. In der NBA ist ein durchschnittlicher Point Guard 1,85 m, ein Center 2,09 m groß. Inzwischen ist für viele Trainer die Armspannweite sogar entscheidender als die reine Körpergröße, da lange Arme entscheidende Vorteile für die Abwehr bedeuten. Es zeigt sich, dass Größe, Armspannweite und Handgröße wichtigere Prädiktoren für den späteren Erfolg sind als Kraft und Schnelligkeit.

Regeländerungen, die das Spiel schneller machen, zum Beispiel das Absenken der Angriffszeit von 30 auf 24 Sekunden, erhöhen die Anforderungen an die aerobe Kapazität der Spieler.

Auch die Sprunghöhe, Schnelligkeit, Agilität und die Kraft der Oberschenkel lassen sich mit dem Spielniveau und der Spielzeit der Spieler korrelieren.

Interessant ist auch die sportwissenschaftliche Leistungsbetrachtung. Im Spiel legen die Spieler durchschnittlich 6,1 bis 7,5 km zurück, was 125-130 m/min. entspricht. Hier sind 18-100 Sprints à 4-9 m enthalten. Ca. 250 m werden seitwärts zurückgelegt. Im Spiel kommt es zu 1000-2700 Aktivitätswechseln und zu 41-56 Sprüngen.

Auch die obere Extremität wird belastet, es kommt zu über 200 Überkopf-Bewegungen. Dribblings à 4s werden von Aufbauspieler (60) deutlich häufiger durchgeführt als von Centern (20). Aufbauspieler legen ca. 700 m pro Spiel dribbelnd zurück.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Verletzungen im Basketball

Wenn man die Verletzungszahlen im Basketball betrachten möchte, liefert die VBG mit ihrem Sportreport seit Jahren einen immensen Datenpool für den professionellen Basketballsport. Seit Jahren unverändert an der Spitze der Verletzungszahlen sind die Verletzungen des oberen Sprunggelenkes, gefolgt von Kniegelenk und muskulären Verletzungen am Oberschenkel. Dass Basketball bei weitem kein körperloser Sport mehr ist zeigt sich zum Beispiel auch an der Zunahme der Kopfverletzungen auf aktuell ca. 10 %. Sprunggelenk und Knie sind jedoch weiterhin die Regionen, denen am meisten Beachtung geschenkt werden sollte, da beide zusammen sowohl bei den Ausfallzeiten als auch bei den Behandlungskosten über 50 % des Gesamtvolumens ausmachen. Gezielten Präventionsmaßnahme für diese Bereiche sind im Trend und lassen vermuten, dass sich hierdurch die größten Erfolge erzielen lassen. Die Auswertung der VBG Verletzungsstatistiken zeigt, dass die meisten Verletzungen in der Zone, direkt unter dem Korb auftreten, was verständlich ist, da in diesem Bereich der engste Kontakt erfolgt. Demzufolge sind auch die großen Spieler (Power Forward und Center), die sich einen Großteil der Spielzeit in diesem Bereich aufhalten, häufiger verletzt als Aufbauspieler.

Im zweiten und vierten Viertel treten überproportional viele Verletzungen auf, was einerseits auf Ermüdungsfaktoren hindeutet, andererseits aber auch der Tatsache geschuldet sein kann, dass sie Spieler, die neu eingewechselt wurden, sich nicht mehr ausreichend wieder aufwärmen konnten, bzw. eventuell auch nicht ausreichend fokussiert sind.

Foulspiel spielt als Verletzungsursache keine wesentliche Rolle. Über drei Viertel der häufigen Verletzungen ereignen sich ohne eigenes oder gegnerisches Foul, über die Hälfte der Verletzungen treten jedoch in einer Situation auf, bei der der verletzte Spieler entweder den Ball selbst führt oder den ballführenden Spieler verteidigt.

Die meisten Wettkampfverletzungen ereignen sich im Dezember, was der erhöhten Wettkampfdichte in dieser Jahreszeit anzulasten ist. Die meisten Trainingsverletzungen hingegen treten im August auf, also im Bereich der Saisonvorbereitung. Dies ist besonders interessant, da die meisten Bundesligavereine erst Mitte August in die Vorbereitung einsteigen. Präventiv sollte hier dringend die Trainingssteuerung überdacht werden, und zu rasche Leistungssteigerungen vermieden werden.

Deutliche Unterschiede der Verletzungshäufigkeiten und Ausfalltage zwischen den einzelnen Vereinen weisen zudem darauf hin, dass zum Teil noch deutliches Verbesserungspotenzial bezüglich der Präventionsmaßnahmen vorhanden ist.

Bei den Verletzungszahlen im Breitensport zeigt sich ein ähnliches Bild, auch hier sind die Sprunggelenksverletzungen mit (je nach Studie) 20-55 % führend.

Bei den Überlastungsbeschwerden treten über die Hälfte der Probleme am Kniegelenk auf, dass Patellaspitzensyndrom kann quasi als „Volkskrankheit“ angesehen werden. Im Hochleistungsbasketball leiden über 30 % der Spieler daran, im Freizeit- und Breitensport immerhin noch 11 %. Insbesondere beim Thema Belastungsdosierung/-Steigerung ist hier sicherlich noch deutliches Präventionspotenzial gegeben.

Bei den aktuellen Verletzungszahlen aus dem Sportreport der VBG muss bezüglich der Interpretation eine gewisse Vorsicht walten, da die zuletzt betrachtete Saison 2019/20 durch den Ausbruch der Corona Pandemie alles andere als „normal“ war. Im März 2020 wurden Trainings-/und Spielbetrieb komplett eingestellt. Während anderer Sportarten die Saison daraufhin beendeten, wurde im Basketball, nach einer kurzen Trainingsphase im April, im Mai die Saison im Rahmen eines

„Bubble-Turniers“ mit zehn, in Quarantäne befindlichen, teilnehmenden Mannschaften zu Ende geführt. Trotz der kurzen Vorbereitungszeit nach längerer Trainingspause unter hohen Spieldichte im Rahmen dieses Turniers, kam es nicht zu einem erhöhten Verletzungsaufkommen, sondern im Vergleich zur Hauptrunde sogar zu niedrigeren Inzidenzen.

Prävention

Im Bereich der Prävention konzentrieren sich die Bemühungen stark auf die Verletzungen im Sprung- und Kniegelenksbereich, wie oben bereits erwähnt. Neben den etablierten Programmen wie zum Beispiel FIFA 11+ oder StopX sollen auch die Return to Competition- Algorithmen der VBG Verletzungen bzw. Re- Verletzungen reduzieren.

Tapeverbände bzw. Orthesen am Sprunggelenk sind seit langem etabliert, interessant wird zu sehen sein, ob sich neu entwickelte, sicherheitsgurtartige, Orthesen durchsetzen können, die bestmöglichen Schutz bei größtmöglicher Mobilität bieten sollen.

Auch durch Regelanpassungen soll der Schutz der Spieler erhöht werden. So ist beispielsweise seit 2020 das Vorstrecken des Verteidiger-Fußes in den Landebereich des 3-Punkt-Schützen als unsportliches Foul zu werden, da bei dem, auf den Wurf konzentrierten, Angreifer ein hohes Verletzungsrisiko für das Sprunggelenk (Supinationstrauma) bei der Landung besteht.

Alles in allem bleibt Basketball, trotz der Verletzungsrisiken, eine schnelle und hoch attraktive Sportart. Die Häufigkeit der Verletzungen ist im Vergleich mit den anderen großen Sportarten (Fußball, Handball, Eishockey) etwas geringer. Freuen wir uns also auf eine erfolgreiche und verletzungsfreie Europameisterschaft!

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DIE AUTOREN

v.l. Dr. Ralf Hamann,

Dr. Christoph Lukas,

Dr. Kai Fehske,

Vorstand Dt. Basketballärzte

(www.basketdocs.de)