Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin

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Wenn der Asphalt glüht: Tour de France 2022

Vom 1. bis 24. Juli 2022 gehören die Strassen wieder den Radrennfahrern: die Tour de France mit ihren 3349,8 Kilometern auf 21 Etappen fordert von den Profis alles. Immer mit dabei: die Sportmediziner.

Medizinische Betreuung im Radsport

Die Faszination des Radsportes und damit auch der medizinischen Betreuung besteht jedoch in der Vielfältigkeit. Neben den fünf olympischen Disziplinen (Strasse, Mountainbike, Bahn, BMX Race und Freestyle) betreuen die Ärzte des Bundes Deutscher Radfahrer Downhill, 4-Cross, Enduro, Kunstradfahren, Radball, Trial und Einradfahren. Die 12 Disziplinen sind hinsichtlich der Technik und der Anforderungen sehr unterschiedlich. Darin begründen sich auch die verschiedenen Verletzungsmuster und Überlastungssyndrome.

Bei allen Disziplinen spielen die äußeren und inneren Einflussfaktoren für Verletzungen eine große Rolle:

 

Äußere Einflussfaktoren für Verletzungen

 

Innere Einflussfaktoren für Verletzungen

 

Häufige Verletzungen im Strassenradsport 

Die populärste Disziplin ist der Strassenradsport mit dem Jahreshöhepunkt der Tour der France.

Ätiologie der Verletzungen:

Lokalisation und Häufigkeit der Verletzungen

 

Typische Radsportverletzungen 

 

Haut

Zu den häufigsten Verletzungen gehören Schürfungen und Risswunden der Haut. Sie treten vor allem an den Extremitäten auf. Hierbei besteht eine erhöhte Infektionsgefahr.

Kopf

Durch das Tragen von Helmen konnte die Häufigkeit der Schädel-Hirn-Traumata deutlich gesenkt werden. Der Verletzungsort verlagerte sich auf die untere HWS. Riss- und Schnittwunden im Gesicht, Zahnverletzungen und Mittelgesichtsfrakturen sind dennoch häufig.

Wirbelsäule

Bei Stürzen mit hoher Geschwindigkeit, zum Beispiel beim Zielsprint kommt es zu Wirbelkörperfrakturen und diskoligamentären Verletzungen

 Thorax/Abdomen

Am zweithäufigsten zeigen sich Verletzungen des Thorax und Abdomens mit Rippenfrakturen, Lungenkontusion bis hin zum Hämatopneumothorax und Abdominaltrauma mit Milz und Leberverletzungen

Obere Extremität

Die obere Extremität ist am häufigsten betroffen bei Verletzungen im Radsport. Es überwiegen Claviculafrakturen und Verletzungen des AC-Gelenkes, doch auch jede andere Fraktur und Kapselbandverletzung kommt vor.

Becken und untere Extremität

Im Bereich des Beckens und der unteren Extremität reicht das Spektrum der Verletzungen von der Beckenfraktur bei Stürzen mit hoher Geschwindigkeit bis zur Fraktur des oberen Sprunggelenkes und Fussfrakturen. Insgesamt sind die Verletzungen der unteren Extremität seltener als die Verletzungen der oberen Extremität.

 

 

 

 

 

 

 

 

Überlastungssyndrome

 Lokalisation und Häufigkeit der Überlastungssyndrome

Überlastungssyndrome treten vor allem an der Wirbelsäule, am Kniegelenk und an den Kontaktpunkten mit dem Rad an den Händen und im Sitzbereich auf.

Durch eine unangemessene Belastungssteigerung oder falsche Sitzposition kommt es im Kniebereich gehäuft zu femoropatellaren Beschwerden, Patellaspitzensyndrom und Tractus Iliotibialis Syndrom.

Verkürzungen des M. Iliopsoas und eine insuffiziente autochthone Muskulatur führen bei längerer Belastung zu chronischen Schmerzen an der Lendenwirbelsäule

 

Therapeutische und präventive Maßnahmen

Durch eine gute Konstitution basierend auf Grundlagenausdauer und sportartspezifischem Krafttraining lassen sich viele Verletzungen vermeiden.

Das Tragen von Helmen und ggf. Protektoren sollte selbstverständlich sein.

Die richtige Selbsteinschätzung und das stetige Training der Fahrtechnik, sowie die Kenntnis der Fahrstrecke machen letztlich einen guten Radfahrer aus.

Banale Verletzungen wie Schürfungen und Prellungen gehören zum Alltag von Profiradsportlern.

Komplexe Verletzungen sollten ernst genommen werden und gehören in die Hand eines Spezialisten. Eine frühe Rückkehr zum Sport ist durch eine spezifische, individuell angepasste Therapie möglich.

 

Sportmedizinische Betreuung

Eine persönliche Bindung und Kenntnis der Probleme, Schwächen und Verletzungen eines jeden Athleten schafft gegenseitiges Vertrauen.

Ein Therapieplan abgestimmt auf den Athleten und seine kurz- und langfristigen Ziele erleichtert die Zusammenarbeit.

Ständiger Austausch mit den Athleten über deren Wettkampfprogramm sensibilisiert einerseits und hilft die richtigen Vorkehrungen zu treffen.

Im Wettkampf ist das Sicherstellen einer funktionierenden Rettungskette unter Einbeziehung von Betreuern, Trainer und lokalem Rettungsdienst von größter Bedeutung. Unter Umständen kann eine Kooperation mit Medizinern und Betreuern anderer Mannschaften hilfreich sein, welche in die Logistik einbezogen werden.

 ©BDR (5)


Der AUTOR

Dr. Matthias Baumann ist Chefarzt der Unfallchirurgie, Orthopädie und Sporttraumatologie an der SRH-Klinik Sigmaringen, Lehrkrankenhaus Universität Tübingen. Er ist Leitender Verbandsarzt des BDR und Präsident der Medical Commission des UCI.