Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin

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Wenn es zwickt oder knallt: Verletzungen der Achillessehne

Sehr geehrte Damen und Herren,

wenn die Achillessehne reißt, gibt es einen großen Knall. Zwar kann der Sehnenstrang ein Vielfaches des Körpergewichts aushalten, aber viele Freizeit- und Spitzensportler sind von mehr oder minder großen Beschwerden betroffen. Allein jeder zweite Mittel- und Langstreckenläufer klagt über Schmerzen an der Achillessehne oder ist sogar von einem Riss und anschließender Operation betroffen. Wie man die Beschwerden vermeiden oder zumindest reduzieren kann und welche Behandlungsmethoden zu empfehlen sind, beschreibt das Autorenteam um den “Sportarzt des Jahres 2015”, Dr. med. Lukas Weisskopf, in unserem aktuellen GOTS-Newsletter.

Wir möchten Sie zudem auf eine Stellenausschreibung des Universitätsklinikums Regensburg aufmerksam machen. (Stellenausschreibung)


31. Jahreskongress der GOTS | 17. - 18. Juni 2016, Leonardo Royal Hotel, MünchenZum 31. Jahreskongress der GOTS vom 16. bis 18. Juni 2016 in München laden Kongresspräsident Prof. Romain Seil und sein Team neben allen an der Sportorthopädie interessierten Medizinern, Physiotherapeuten, Sportwissenschaftlern und Studenten auch die Vertreter der Medien herzlich ins Hotel Leonardo am Olympiapark ein. Wenige Wochen vor den Olympischen und Paralympischen Spielen steht das vielfältige Programm im Zeichen der fünf Ringe. Führende Mediziner des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) und der Fachverbände im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) beantworten Fragen zu aktuellen Themen rund um die Wettbewerbe in Rio de Janeiro. Das wissenschaftliche Programm mit den dazugehörigen Zeittafeln finden Sie unter www.gots-kongress.org/wissenschaftliches-programm. Wer sich registrieren möchte, kann dies auf der Kongress-Website (www.gots-kongress.org/registrierung) tun.


Mit freundlichen Grüßen
Ihr Andreas Bellinger, presse@gots.org

Wenn es zwickt oder knallt: Verletzungen der Achillessehne

Überlastungsbedingte Sehnenprobleme (Tendinopathien) sind bei Sportlern nicht selten – und wegen ihrer  lange anhaltenden Symptome gefürchtet. Sie entwickeln sich meist langsam, weswegen ein Arzt häufig erst relativ spät konsultiert wird. Sogar jeder zehnte Nichtsportler ist im Laufe seines Lebens von derartigen Problemen betroffen. Vor allem sind es aber Freizeit- und Spitzensportler, denen die Schmerzen und Behinderungen zu schaffen machen. So klagen beispielsweise mehr als 50 Prozent aller Mittel- und Langstreckenläufer über Achillessehnenprobleme.

Diagnose
Aus diagnostischer Sicht und therapeutischer Relevanz gilt es, eine Insertionstendinose (Sehnenproblematik unmittelbar am Fersenansatz) von einer Midportion-Tendinose (Problematik rund sechs bis acht Zentimeter oberhalb der Ferse) zu unterscheiden. Die Diagnose der Achillessehnentendinose im mittleren Sehnendrittel kann mit hoher Wahrscheinlichkeit klinisch gestellt werden.

In der Ultraschalluntersuchung zeigt sich eine verdickte Sehne mit Texturstörung und vermehrter Neugefäßbildung (Doppler-Sonographie). Wenn die Beschwerden innerhalb kurzer Zeit stark zunehmen, sollte zudem eine Teilruptur beziehungsweise eine Ruptur mittels Kernspintomographie mit Kontrastmittel ausgeschlossen werden. Durch Röntgen können zudem Verkalkungen oder eine sogenannte Haglund-Exostose (Knochensporn des Fersenbeins vor der Achillessehne) diagnostiziert werden.

Typische kolbenförmige Verdickung bei Midportion-Tendinose
Typische kolbenförmige Verdickung bei Midportion-Tendinose

Prophylaxe
Da sich Tendinopathien immer aus einem Missverhältnis von Belastung und Belastbarkeit der Sehne entwickeln, müssen in erster Linie die negativen Faktoren reduziert werden. Dazu zählen diejenigen, welche die Belastung der Sehne erhöhen wie etwa Trainingsfehler, ungenügende Ausrüstungsqualität, Instabilität im unteren Sprunggelenk, schlechter Untergrund und mangelhafte Technik. Oder auch diejenigen, welche die Belastbarkeit vermindern wie Genetik, Alter, Hormone, Metabolismus, Medikamente, Inaktivität und Rauchen. Hilfreich sind in der Regel schon Schuheinlagen, die individuell angepasst werden.

Exzentrisches Training
Exzentrische Übungen zeigen eine sehr gute Wirkung, lindern die Beschwerden und verbessern die Sehnenqualität. Bei einer exzentrischen Kontraktion kommt es zu einer nachgebenden (dynamisch-negativen) Arbeit des Muskels, bei der sich Ansatz und Ursprung voneinander entfernen. Der Muskel wird gedehnt und entwickelt eine höhere Spannung, wie etwa beim Bergablaufen. Nach 12 bis 16 Wochen zeigt das exzentrische Training als Basismaßnahme in 50 bis fast 90 Prozent gute bis sehr gute Ergebnisse. Zu beachten ist hierbei, dass bei einer Ansatztendinopathie die Übung nur bis 90 Grad (und nicht bis zur maximalen Dorsalextension) durchgeführt werden sollte, da eine allfällige Haglund-Exostose bei einer größeren Beugung zu einer weiteren Reizung führen kann. Zunehmend kommen auch isometrische Therapiekonzepte auf und werden wahrscheinlich zukünftig bei Sehnenpathologien ihren wichtigen Stellenwert finden.

Stoßwellentherapie bei Achillessehnenansatztendinose ohne Verkalkung
Stoßwellentherapie bei Achillessehnenansatztendinose ohne Verkalkung

Stoßwellentherapie
Vergleichbar mit exzentrischen Übungen sind Ergebnisse einer radialen Stoßwellentherapie. Solche hochenergetischen extrakorporalen Stoßwellen stimulieren die Sehnenheilung und hemmen die Schmerzrezeptoren. Sie sollten rund sechs Mal im Abstand von je einer Woche durchgeführt werden. Der positive Effekt kann dabei allerdings erst nach weiteren sechs Wochen erwartet werden, da sich die Sehne zunächst regenerieren muss. Bei allfällig vorhandenen intratendinösen Verkalkungen reduzieren sich jedoch diese guten Eigenschaften ein wenig.

Mittels Sklerosierung werden Neugefäßbildungen verödet, wobei bis zu drei Injektionen im Abstand von vier bis sechs Wochen notwendig sind. Man geht davon aus, dass ein Denervierungeffekt stattfindet, wobei die parallel zu den Neovaskularisationen verlaufenden Nerven gehemmt werden. Nährstoffe spielen ebenfalls eine größere Rolle, da sie den erhöhten Nährstoffbedarf bei vermehrtem Gewebeumbau zumindest teilweise decken. So sind Glucosamin, Chondroitinsulfat, Hyaluronsäure und Omega-3-Fettsäuren zu empfehlen.

Therapie und Schmerzmittel
Nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) verschaffen nur kurzzeitige Linderung. Häufig wird von einer Tendinitis (Entzündung der Sehne gesprochen). Da jedoch Entzündungszellen in der Regel kaum vorhanden sind, sollte der Begriff Tendinopathie verwendet werden. Somit sind NSAR kritisch zu überdenken. Sinnvoller sind reine Schmerzmittel.

Kortison bringt kurzfristig eine deutliche Linderung. Mittel- bis langfristig führen diese aber zu einem erhöhten Risiko für Rupturen. Insbesondere mit Kortison behandelte Achillessehnen zeigen bei einer notwendigen Operation Probleme mit Nekrosezonen, Rerupturen, vermehrte Wundheilungsstörungen (bis über 50 Prozent) und Infektionen. So ist von Kortison-Infiltrationen in die Achillessehne dringend abzuraten.

Insgesamt ist es wichtig, verschiedene Therapieoptionen miteinander zu kombinieren. So erzielt die Kombination von exzentrischem Training und Stoßwellentherapie in 82 Prozent der Fälle gute bis sehr gute Ergebnisse. Ergänzende Nährstofftherapie verbessert die Wirkung der Stoßwellentherapie bei Ansatztendinosen. Werden durch konservative Therapien keine Verbesserungen erzielt, sollte eine operative Therapie diskutiert werden. So können Teilrupturen, Verkalkungen oder eine störende Haglundexostose entfernt werden.

Achillessehnenrisse
Mit einer maximalen Belastbarkeit von rund 18.000 Newton ist die Achillessehne die zugkräftigste Sehne des Körpers. Im übertragenen Sinne könnte man sagen, es zerren bis zu 1.800 Kilo an dem Sehnenstrang. Beim Laufen beispielsweise wirkt das bis zu 12,5-fache des Körpergewichts auf die Achillessehne, die im Vergleich aller Sehnen die größte Rupturrate aufweist. Insbesondere scheint ein ungünstiges Verhältnis von Muskelquerschnitt und Sehnendicke vorzuliegen (125:1 anstatt normalerweise 50:1). Außerdem findet die Ernährung der Sehnenfasern überwiegend nur durch Diffusion statt.

Bei einem Riss der Achillessehne hören die Patienten häufig einen Knall. In der Untersuchung zeigt sich eine Delle der Achillessehne und die Vorspannung der Sehne im Bauchlagentest zeigt sich in der Regel vermindert (Hanging foot). Der Ultraschall oder das MRT bestätigen dann die Diagnose.

Die Achillessehne besteht aus drei Bündeln, welche von drei verschiedenen Muskeln stammen. Es können verschiedene Rupturmuster auftreten, wobei diese Bündel unterschiedlich betroffen sind. Um ein möglichst gutes Ergebnis erzielen zu können, sollten die einzelnen Bündel wieder zueinander geführt werden, da diese während des Bewegungsablaufes verschiedene Funktionen übernehmen.

Nebst der konservativen Therapie – wobei die exakte Bündelrekonstruktion ausbleibt – ist insbesondere je nach Anspruch des Patienten und des Rupturmusters eine operative Sehnennaht zu empfehlen. E gibt verschiedene Operationsarten, wobei die offene sogenannte Triple-Bundle-Technik die besten funktionellen Ergebnisse bezüglich Rissfestigkeit und Ausbleiben einer Elongation liefert.

Meist kann die aus früheren Zeiten der Evolution stammende „Affensehne“ (Plantaris) teilweise als Nahtmaterial und Trennschicht zur Reduzierung von Verklebungen verwendet werden. Insbesondere bei Operationen an der Achillessehne kommt es aber vermehrt zu Wundheilungsstörungen und Infektionen. Die Risiken solcher Komplikationen müssen vor dem chirurgischen Eingriff je nach Patient abgewogen und andere Therapiemöglichkeiten aufgezeigt werden.

Achillessehnenriss und Triple-Bündel-Rekonstruktion mit Plantarisverstärkungsplastik

Achillessehnenriss und Triple-Bündel-Rekonstruktion mit Plantarisverstärkungsplastik

Achillessehnenriss und Triple-Bündel-Rekonstruktion mit Plantarisverstärkungsplastik
Achillessehnenriss und Triple-Bündel-Rekonstruktion mit Plantarisverstärkungsplastik

Über die Autoren:
Die Autoren gehören bis auf Dr. med. Frank Weinert, der als Facharzt für Allgemeinmedizin, Sportmedizin und Chirotherapie in Gangkofen in Niederbayern praktiziert, zum Team des Altius Swiss Sportmed Center in Rheinfelden. Patric Scheidegger ist dort Assistenzarzt der Orthopädie und Sportmedizin. Dr. med. Lukas Weisskopf, der GOTS-Sportarzt des Jahres 2015, und Dr. med. Thomas Hesse sind Fachärzte für Orthopädische Chirurgie und Traumatologie  des Bewegungsapparates. Dr. med. Henning Ott ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Allgemeinchirurgie, Sportmedizin, Tauch- und Notfallmedizin

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