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Schnelligkeit, Koordination, mentale Stärke: Leichtathletik, ISTAF 2023

Weltklasse Leichtathletik im Olympiastadion in Berlin. Beim Internationalen Stadionfest (ISTAF) messen sich Weltstars der Leichtathletik in den unterschiedlichen Disziplinen. Bis zu 70 000 Zuschauer feiern das große Sportfest. Somit ist das ISTAF eines der prestigeträchtigsten Leichtathletik-Events weltweit.

Mit einer ereignisreichen Geschichte und einer glühenden Anhängerschaft ist dieser Wettkampf zu einem Symbol außerordentlicher athletischer Exzellenz und einer Plattform für Sportler herangewachsen, um ihre Fähigkeiten auf globaler Bühne zu demonstrieren. Auf Grund der guten Resonanz wurden neben dem ISTAF Berlin auch das ISTAF Indoor in zweifacher Ausführung (Düsseldorf und Berlin) ins Leben gerufen.

 Foto: © Camera4/ISTAF

Ursprünge und Geschichte

Erstmalig fand das ISTAF am 3. Juli 1921 in Berlin statt, womit es zum ältesten Leichtathletik-Meeting der Welt zählt. Ursprünglich war es bekannt als „Internationales Stadionfest“ und wurde im Deutschen Stadion veranstaltet. Seit 1937 wird es regelmäßig unter dem Namen ISTAF ausgetragen und nahm rasch an Popularität zu, sowohl unter den Athleten als auch unter den Zuschauern.
Mittlerweile gehört das ISTAF zur World Athletics Continental Tour.
Im Laufe seiner Geschichte trotzte das ISTAF zahlreichen Herausforderungen, inklusive der turbulenten Zeiten im 20. Jahrhundert. Es behielt jedoch stetig seine Reputation als Weltklasse Leichtathletik-Wettkampf, war Zeuge einiger der außergewöhnlichsten Leistungen in diesem Sport und hat maßgeblich zur Förderung von Leichtathletik Events weltweit beigetragen.
Im Laufe der Jahre wurden beim ISTAF 16 Weltrekorde aufgestellt.

Meeting-Format

Das ISTAF findet üblicherweise über ein oder zwei Tage statt. Teil seines Erfolges ist ein kompakter Zeitplan von Leichtathletik-Wettkämpfen untermalt mit Spezialeffekten, wie den Feuerstößen während des Zieleinlaufes. Im Programm enthalten sind u.a. 100m, 200m, 400m, 1500m, Hürden, Weitsprung, Hochsprung, Speerwurf und Kugelstoß.
Eines der Schlüsselfaktoren, die das ISTAF auszeichnen, ist seine elektrifizierende Atmosphäre. Das Meeting zieht ein breites und passioniertes Publikum an, welches ein intensives und atemberaubendes Ambiente schafft und die Athleten somit zu Bestleistungen motiviert.
Das ISTAF zeichnet sich jedoch nicht nur durch sportliches Höchstleistungsniveau aus, sondern schweißt auch internationale Beziehungen zusammen. Es dient als Schmelztiegel, in dem Sportlerinnen und Sportler mit unterschiedlichem Hintergrund zusammenkommen. Junge Talente bekommen die Möglichkeit, sich an etablierten Profis zu messen. So bietet die Veranstaltung eine Bühne, auf der sie glänzen und zukünftige Generationen inspirieren können, was die Veranstaltung für das Wachstum und die Entwicklung der Leichtathletik von Bedeutung macht.

Foto: © Camera4/ISTAF

Auswirkungen auf Berlin

Berlin, die Stadt, die seit Jahrzehnten Gastgeber des ISTAF ist, hat zweifellos von der Präsenz der Veranstaltung profitiert. Der Wettbewerb hat Besucher aus der ganzen Welt angezogen und den Tourismus sowie die lokalen Unternehmen angekurbelt. Darüber hinaus hat das ISTAF maßgeblich zum Status Berlins als Sportstadt beigetragen und es zu einem gefragten Ziel für Leichtathletikbegeisterte und Veranstaltungsteilnehmer gemacht.

Anforderungen und Fähigkeiten in der Leichtathletik

In der Leichtathletik gibt es verschiedene Anforderungen und Fähigkeiten, die Athletinnen und Athleten benötigen, um in den unterschiedlichen Disziplinen erfolgreich zu sein. Im Folgenden sollen einige der wichtigsten Anforderungen benannt werden:

• Schnelligkeit: Insbesondere in den Sprintdisziplinen wie 100m, 200m und 400m sowie für die Anlaufgeschwindigkeit beim Weitsprung ist die Schnelligkeit von entscheidender Bedeutung. Eine maximale Aktionsschnelligkeit in technisch effizienter Ausführung ist in den Sprintdisziplinen der Schlüssel zum Erfolg.
• Kraft: Kraft spielt in verschiedenen Disziplinen wie Kugelstoßen, Diskuswerfen oder Speerwerfen eine entscheidende Rolle. Aber auch in der Beschleunigungsphase beim Sprint oder im Rahmen eines Absprunges beim Weit-oder Hochsprung ist ein hohes Maß an Kraft erforderlich. Die Athletinnen und Athleten benötigen sowohl Maximalkraft als auch Explosivkraft.
• Ausdauer: Für die Mittel- und Langstrecken ist eine gute aerobe Ausdauerfähigkeit essenziell. Um diese Strecken mit hoher Intensität durchhalten zu können, benötigen die Athletinnen und Athleten zudem eine gute Laktattoleranz im Rahmen der anaeroben Kapazität.
• Koordination: Koordination ist in allen Leichtathletik-Disziplinen für eine präzise Bewegungskontrolle entscheidend, um effizient erarbeitete Grundlagen, wie Kraft und Schnelligkeit in die angestrebte Zieltechnik übersetzen zu können und für maximalen Leistungs-Output zu sorgen.
• Flexibilität: Eine gute Flexibilität ist wichtig, um Bewegungsfreiheit zu gewährleisten und Verletzungen vorzubeugen. Besonders relevant ist sie im Hürdenlauf und im Hochsprung.
• Reaktionsfähigkeit: Eine schnelle Reaktion ist in Sprintdisziplinen für einen gelungenen Start von entscheidender Bedeutung.
• Regenerationsfähigkeit: Eine der wichtigsten und oft unterschätzten Fähigkeiten im Hochleistungssport ist die Regenerationsfähigkeit, da ein hohes Maß an Training sowie hohe Belastungsspitzen an Wettkämpfen den Körper an die Grenzen bringt. Topleistungen können nur erbracht werden, wenn der schmale Grat zwischen Belastung und Entlastung zu einem trainingswirksamen Reiz führen, ohne Ausfallszeiten durch Verletzungen zu provozieren.
• Mentale Stärke: Die Leichtathletik erfordert mentale Stärke und punktgenaue Fokussierung. Athletinnen und Athleten müssen mit extrinsischem und intrinsischem Druck umgehen können, um in der Lage zu sein, in den entscheidenden Sekunden ihre persönliche Bestleistung erbringen zu können. Zwischen Sieg und Niederlage entscheiden oft Hundertstelsekunden, die durch das richtige Mindset gewonnen oder verloren werden können.

Es ist wichtig zu beachten, dass verschiedene Disziplinen unterschiedliche Anforderungen und Schwerpunkte haben können. Einen erfolgreichen Sprinter zeichnen andere Fähigkeiten aus als einen erfolgreichen Hochspringer oder Langstreckenläufer. Training, Technik und spezifische Anforderungen variieren je nach Disziplin und erfolgreiche Athletinnen und Athleten müssen ihre Stärken in einer oder mehreren dieser Fähigkeiten entwickeln.

Überlastungsbeschwerden und akute spezifische Verletzungen

Leichtathletik ist eine Sportart, die körperliche Höchstleistungen erfordert und Geschwindigkeit, Kraft und Beweglichkeit der Athleten unter Beweis stellt. Allerdings sind Verletzungen in der Leichtathletik, wie bei jeder anderen Form des Leistungssports, ein weit verbreitetes Problem. Von Verstauchungen und Zerrungen bis hin zu schwerwiegenderen Formen, sind Sportler einer Reihe von Verletzungen ausgesetzt, die ihr Training und ihre Leistung beeinträchtigen oder sogar ihre Karriere gefährden können.

Insbesondere Überlastungsschäden sind in der Leichtathletik ein häufiges Problem. Durch die intensive Belastung des Körpers beim Training und im Wettkampf können verschiedene Verletzungsmuster auftreten. Dazu gehören Sehnenentzündungen, Stressfrakturen, Muskelzerrungen und Überbeanspruchungsyndrome. Diese Schäden entstehen häufig durch monotone Belastungsformen oder eine zu schnelle Steigerung des Trainingsumfanges und der Trainingsintensität. Um Überlastungsschäden zu vermeiden ist es essenziell, das Training sorgfältig und langfristig zu planen und ausreichende Regenerationszeiten zu berücksichtigen Des Weiteren muss eine spontane Anpassung an den tages- bzw. situationsabhängigen Zustand der Athletinnen und Athleten erfolgen und auf die Signale des Körpers geachtet werden, um Anzeichen von Überlastungen rechtzeitig zu erkennen. Wichtig ist hierbei auch die verschiedenen Anpassungszeichen unterschiedlicher Gewebe zu berücksichtigen und entsprechende Regenerationsmöglichkeiten auszuschöpfen.

Zu den typischen Überlastungsverletzungen gehören die Stressfrakturen. Langstreckenläufer und Springer haben ein erhöhtes Risiko für Ermüdungsfrakturen, die durch unzureichende Anpassung der Knochenstruktur an wiederholte Stoßbelastungen oder akute Belastungsspitzen ausgelöst werden können. Hierzu zählen extreme oder zu häufige Wettkampfbelastungen sowie eine zu schnelle Steigerung der Trainingsumfänge, teils in Kombination mit unzureichenden Regenerationszeiten und einer mangelhaften Energiezufuhr. Zu den häufig betroffenen Regionen gehören die Schienbeine und die Mittelfußknochen.
Weitere häufige Verletzungsmuster sind die Tendinitiden und Synovitiden. Regelmäßige Überbeanspruchungen, Ermüdung sowie Fehlbelastungen durch Technikfehler oder Achsabweichungen können zu akuten Entzündungsreaktionen führen, welche ohne entsprechende Therapie häufig chronifizieren. Aber auch die Anwendung von neuen Trainingsformen, Bahnbelägen und Schuhtechniken, wie die neuerdings in den Laufschuhen und Spikes verbauten Carbonsohlen, rufen immer häufiger Überlastungsschäden im Sehnengewebe hervor.
Der Einsatz dieser Neuerungen sollte daher mit besonderer Vorsicht erfolgen, speziell in Bezug auf die im Vergleich zum Muskelgewebe verzögerte Adaptationsfähigkeit von Sehnen.
Einen großen Anteil unter den Tendinopathien nehmen in der Leichtathletik die Achillessehnentendinopathie sowie die Plantarfasziitis ein. Umso dramatischer, da diese Strukturen in einer beinbetonten Sportart lange Ausfallszeiten verursachen und im Falle einer Ruptur karrierelimitierende Verletzungen darstellen. Eine frühzeitige, multimodale und kausale Therapie mit umfassender Ursachenanalyse ist daher essenziell.

Zu den häufigsten akuten Verletzungen gehören Disziplin übergreifend die Muskelverletzungen. Sprinter, Hürdenläufer und Springer sind aufgrund der Explosivität ihrer Wettkämpfe besonders anfällig für diese Art von Verletzungen. In Abhängigkeit von einer in der Bildgebung sichtbaren Schädigung sind hierbei in erster Linie strukturelle von funktionellen bzw. ultrastrukturellen Schädigungen abzugrenzen. Je nach Ausmaß der Schädigung wird die Verletzung in verschiedene Schweregrade eingeteilt.
Den größten Teil der dokumentierten Muskelverletzungen in der Leichtathletik machen die sogenannten Hamstring-Verletzungen aus. Sie betreffen vor allem Sprinter, Hürdenläufer und Weitspringer, da die ischiocrurale Muskulatur bei Wettkämpfen mit sehr hohen Intensitäten beansprucht wird. Neben der ischiocruralen Muskulatur sind häufig der M. rectus femoris und der mediale Kopf des M. gastrocnemius betroffen. Diese Muskelgruppen weisen einen hohen Anteil an schnell kontrahierenden Typ-2-Muskelfasern mit einem zweigelenkigen Verlauf auf. Verletzungen dieser Muskelgruppen treten typischerweise in der exzentrischen Phase der Muskelkontraktion auf.
Das Ausmaß der Verletzung hängt dabei im Wesentlichen von der Größe der Krafteinwirkung und dem Vordehnungszustand des betreffenden Muskels ab. Zweigelenkige Muskelgruppen sind daher vermehrt gefährdet. Die Verletzungslokalisation liegt hauptsächlich im muskulotendinösen Übergang, da die Vernetzung der unterschiedlichen Faserstrukturen hier eine Schwachstelle bietet.
Häufig gehen diese Art der Verletzungen mit mittleren bis langen Ausfallzeiten einher, wobei eine exakte Prognose oftmals schwierig ist. Eine grobe Ausfallzeit lässt sich anhand der Verletzungsklassifikation ableiten. Eine Besonderheit der Hamstring-Verletzungen sind die hohen Rezidiv-Verletzungsraten, die oftmals mit längeren Ausfallzeiten einhergehen. Ein zu früher Return-to-Sport ohne ausreichende Heilungs- und Anpassungsphase gilt es daher dringlichst zu vermeiden. Das Risiko im selben Muskel eine erneute Verletzung zu erleiden ist im Vergleich zur Primärverletzung um das zwei-bis sechsfache erhöht. Ursächlich scheint eine durch Narbengewebe verringerte Dehnbarkeit sowie eine veränderte Fortleitung der Muskelkraft und eine gestörte Ansteuerung der Muskulatur.

Sportlerbetreuung in der Leichtathletik

Für eine optimale Sportlerbetreuung in der Leichtathletik ist ein interdisziplinär gut zusammenarbeitendes Team zwischen Ärzten, Trainern, Physiotherapeuten und schließlich die Kommunikation mit den Athleten der Schlüssel zum Erfolg.
Präventiv beruht die ärztliche Betreuung in erster Linie auf der Adressierung von Risikofaktoren (Statik, Einlagenversorgung, Rezidivprophylaxe) sowie der Beratung zu optimalen Regenerationsmethoden. Hierzu zählt unter anderem der Einsatz von Kryotherapie, Massagen sowie aktiv oder passiv regenerative Einheiten.
Weiterhin spielt aus ärztlicher Sicht die Optimierung des Energiehaushaltes durch disziplinspezifische Nahrungszusammensetzung und dem Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln eine immer größer werdende Rolle. Auch Hinweise auf ein mögliches Übertraining sollten durch eine umfassende Anamnese, gegebenenfalls Blutuntersuchungen oder kardiale Check-ups frühzeitig erkannt werden.

Im Falle einer akuten Verletzung ist es wichtig, typische Verletzungsmuster zu erkennen und eine frühzeitige Therapie einzuleiten. Dabei sollten je nach Verletzungsart konservative Therapiemethoden bis hin zu operativen Interventionen erwogen werden. Ein breites Netzwerk von chirurgisch und konservativ erfahrenen Orthopäden, Physiotherapeuten und Internisten ist hierfür unabdingbar.
Zuletzt ist es wichtig ein Gespür für die aktuelle psychische Gesundheit des Sportlers zu entwickeln. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit ermöglicht die umfassende Analyse von Risikofaktoren, Behandlungsmöglichkeiten und Leistungsreserven auf dem Weg zur individuellen Top-Performance.

DER AUTOR

Dr. med. Moritz Hüttel arbeitet als Assistenzarzt in der Klinik für Orthopädie und Sportmedizin / Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie im Klinikum Osnabrück.
Er ist einer der Verbandsärzte im Deutschen Leichtathletik Verband und in der Deutschen Triathlon Union.
Seine Lebenspartnerin gehört zur deutschen Spitze im 100-Meter-Hürdenlauf.