Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin

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Die perfekte Welle: Surfen in allen Facetten

Surfen bezeichnet eine ganze Gruppe von Sportarten. Die Mutter dieser Sportarten ist das Surfen, also das Wellenreiten. Daraus entstand das Windsurfen, Kitesurfen und zuletzt die Foil Sportarten.

Surfen

wird mittlerweile weltweit in allen Küstenregionen mit Brandung / Wellen ausgeübt. Es gibt kaum ein Alterslimit. Jung und Alt, klein und groß, leicht und schwer – egal – bei Wahl des richtigen Materials und der richtigen Welle ist dieser Sport für alle möglich. Shortboard, auch die Olympische Disziplin die 2024 in Tahiti ausgetragen wird, ist am weitesten verbreitet und erlaubt radikale Turns und Aerial Manöver ähnlich dem Skateboarding. (Abb. 1) Longboard wird mit langen Boards ausgeübt, welche elegante, stylische Moves ermöglichen. (Abb. 2) Big Wave Surfing kann als Königsklasse bezeichnet werden. Nur wenige Surfer und Surferinnen haben das Können und den Mut, sowie den Trainingszustand, um die größten Wellen zu surfen.War Surfen ursprünglich eine fast religiös rituelle Handlung in Polynesien / Hawaii die den Königen und den besten und stärksten vorbehalten war, so gehört die Absolvierung eines Surf-Kurses heute für fast jeden reisenden Jugendlichen auf die To-do Liste. (Abb. 3) Die Weiterentwicklung von Wetsuits hat entscheidend zu einer weltweiten Verbreitung beigetragen. Surfen wird weltweit von geschätzt 23 Mio. Menschen ausgeübt, davon ca. 15% Surferinnen.  Diese geschlechtsspezifische Verteilung variiert regional stark. Die Surf Industrie setzt weltweit geschätzte 10 Milliarden $ um.

Seit Surfen als Olympische Sportart mit Tokio 2020 etabliert wurde, sind professionelle Trainingsmethoden auch in dieser Sportart eingezogen. Der Großteil betrachtet und macht es als Fun Sportart. Abgesehen von einigen künstlichen Wellen (Surf City, Citywave,..) (Abb. 4) und von Wake Surf (Surfen auf der Heckwelle eines Motorbootes) ist surfen eine Natursportart. Wetter, Wind und Strömung generieren die Swells die an der Küste als Wellen brechen. Gezeiten, regionale Gegebenheiten müssen von den Surfern beachtet und auch respektiert werden. Surfen ist eine Einzelsportart mit einer starken Gruppendynamik. Denn auf einem Surfspot, im Line Up (der Platz im Wasser an dem die Welle bricht und surfbar ist) treffen sich meist mehrere Surfer. (Abb. 5) Hier gilt es gegenseitigen Respekt und gewisse Vorfahrtregeln einzuhalten.

Die überwiegende Zeit beim Surfen wird auf dem Bord liegend mit Paddeln – ähnlich der Kraulbewegung – verbracht. Sitzend auf dem Board im Lineup und Selektion der richtigen welle für einen Take-off. Nur wenige Minuten stehen die Surfer meist am Board und Surfen die Wellen. Wichtig sind genug Kraft in den Armen, Schultern und Rumpf und die richtige Technik zum Paddeln in der Brandung, eine gute Apnoe Zeit bei höheren Wellen, da es beim Sturz hier zu längerem Verbleiben in der „Waschmaschine“, also der brechenden Welle unter Wasser kommen kann, sowie eine solide Grundlagenausdauer für eine rasche Erholung nach anstrengenden Paddel Sessions. Beim heutigen aggressiven skate surf style ist auch eine stabile Beinarbeit wichtig, um die radikalen Turns ausführen zu können.

Überlastungen betreffen die Schultern bei der Paddelbewegung, wodurch ein Impingmentsyndrom der Schulter ausgelöst werden kann, welches als Surfer Shoulder bezeichnet wird.  Die HWS und LWS wird durch die Hyperextension beim Paddeln belastet.

Viele Risiken: Schnittwunden, Wasserverschmutzung, Haiangriffe, Quallen-Verbrennungen, Muskelkrämpfe und Ertrinken

Verletzungen sind überwiegend Schnittverletzungen und Cuts durch Kollision mit dem Untergrund oder mit Board und Finne von anderen Surfern. (Abb. 6) Häufig sind Fuß und Sprunggelenk, gefolgt von Kopf verletzt. In tropischen Gewässern und am Korallenriff sind Infektionen häufig. Wunden müssen gut gesäubert und desinfiziert werden. Die oft geforderten 10 Tage Wundheilung nicht ins Wasser zu gehen ist für Surfer meist nur dann möglich, wenn in diesem Zeitraum keine surfbaren Wellen sind. Bei guten Bedingungen wird die Wunde nass, denn Tapes und sonstige wasserdichte Verbände werden am Fuß und Sprunggelenk nur 1-2 Stunden halten.

Wasserverschmutzung wird zunehmend ein Thema bei allen Wassersportarten – besonders wenn viel Zeit im Wasser verbracht wird und in der Welle Ohren und Nebenhöhlen gut gespült werden – Surfer nennen das Waschmaschine. Als Surfers-Ear wird eine Gehörgangs Exostose bezeichnet, die unbehandelt bis zur Taubheit führen kann.

Die Angst vor Hai Angriffen ist natürlich im Meer immer präsent. Das reale Risiko ist im Vergleich zur Anzahl der Surfer, die weltweit täglich im Wasser sind, jedoch gering. Natürlich dürfen Surfer nicht vergessen, dass sie sich ev. im Jagdrevier von Haien oder Krokodilen (Australien) bewegen. Quallen, Seeigel und andere Wasserbewohner haben schon fast jeden erfahrenen Surfer erwischt. Quallen Verbrennungen werden aktuell am besten mit möglichst heißem Wasser abgewaschen um die toxischen Proteine zu denaturieren.

Ertrinken ist bei allen Wassersportarten ein präsentes Risiko. Jede Ohnmacht – aus welchem Grund auch immer – jeder Muskelkrampf, verschlucktes Wasser, Verwickelung in einer Leine, einer Leash, kann innerhalb von Sekunden zu einer lebensbedrohlichen Situation werden. Neben einem Apnoe Training ist auch ein Rettungsschwimmer Training dringend angeraten.

Die SMI (Surf Medicine International) hat ein en gute Ausbildungskurs für Surfen und Sicherheit geschaffen sowie ein eignes App entwickelt das bei Reisen empfohlen werden kann. Hier sind die wichtigen Informationen bei Verletzungen und Surf spezifischen Problemen enthalten.

Überlastungen und Verletzungen

Windsurfen

hat sich zu einer anspruchsvollen Sportart entwickelt. Das Spektrum reicht von gemütlichen Allround Funboard bis zum Windsurfen in der Welle (wie Wellenreiten mit Segel), Freestyle (mit Sprüngen und Trick Manövern) bis zum Slalom und Speed Surfen (top Speed um 100 km/h). Als olympische Sportart zuletzt mit Foil Technologie weiterentwickelt. Für Windsurfen ist ein Wind über 15 Knoten gewünscht um das Board zu gleiten zu bringen. Überlastungen betreffen meist Schultergürtel und die Wirbelsäule. Ein gutes Basistraining kann Verbesserung bringen.

Da beim Windsurfen eine hohe Körperspannung über längere Zeit gehalten werden muss sind begleitend Entspannungsübungen angeraten. Verletzungen im Windsurfen entstehen durch Stürze und somit häufiger bei stärkeren Wind. Besonders im Trapez eingehängt kann der gefürchtete Schleudersturz zu Rippenbrücken, Verletzungen durch Aufprall auf den Mast oder zu Peitschenschlagverletzungen der Wirbelsäule führen. Die häufigste Verletzung betrifft Fuß und Sprunggelenk. Wenn der Fuß in den Fußschlaufen  hängenbleibt, kann dies zu schweren Verletzungen im Sprunggelenk oder Lisfranc Gelenk führen. Durch Rotationskräfte sind auch Unterschenkelfrakturen und Verletzungen des Kniegelenks möglich. Natürlich kommt es auch beim Windsurfen zu Schnittverletzungen – besonders wenn die Finne am Board eine scharfe Hocheistungs Finne ist. (Abb. 8)

Kitesurfen

kann durchaus als komplett neue Sportart bezeichnet werden. Kleine Boards, inflatable Kites und die relativ rasche Erlernbarkeit der Basics haben Kitesurfen seit 1995 rasch wachsen lassen. Die Verbreitung ist aktuell höher als beim Windsurfen. Besonders die möglichen hohen Sprünge sind sehr spektakulär. Allerdings hat Kitesurfen ein deutlich höheres Risikopotential als die anderen Surf Sportarten. (Abb. 9) Beim Kitesurfen ist die Fremdgefährdung durch den an ca. 23 m langen Leinen gesteuerten Kite ein großes Thema. An vielen Stränden ist deshalb Kitesurfen verboten. Der Platzbedarf für Start und Landung des Kites reduziert die surfbaren Reviere.

Überlastungen sehen wir beim Kitesurfen häufig am Ellbogen – eher ulnarseitig, an der HWS oft bei ungeübteren Fahren, durch den Blick nach oben auf den Kite. Der Kite wird immer mit Trapez gefahren. Eine gute Core Stability ist daher wichtig. Für die Kraftübertragung auf das Board ist eine kräftige Beinmuskulatur gut. (Abb. 10) Verletzungen treten häufig bei schlechten Landungen nach Sprüngen oder – am gefährlichsten – bei Kontrollverlust über den Kite auf. Die Wetter Entwicklung muss deshalb genau beobachtet werden da ein Sturm rasch zu einer kritischen Situation führen kann. Die häufigste Ursache ist ein Kontrollverlust in Ufernähe bei auflandigem Wind und Kollision mit dem Gelände. Hier sind schwere Polytraumen, Querschnittslähmungen und Todesfälle geschehen. Die Savety release Systeme konnten dieses Risiko reduzieren aber nicht verhindern. 

Der Start- und Landevorgang beinhaltet ein besonderes Gefahrenpotential. Es ist wichtig den Spot gut zu kennen, um die jeweiligen Eigenheiten korrekt einschätzen zu können. Wenn man den Spot nicht kennt, so ist eine entsprechende Einweisung, am beste durch die lokale Kite schule, unerlässlich. Harte Landungen führen zu Fuß und Sprunggelenksverletzungen mit Frakturen von Calcaneus, Talus, Sprunggelenk, sowie Kniebandverletzungen. Abschnürverletzungen an Händen und Fingern durch die Leinen sind dank besserer Leinen und verbesserter Savety release Systeme seltener geworden, bergen jedoch weiterhin hohes Gefahrenpotential, da sie im Falle von Verwicklungen um die Beine auch zum Ertrinken führen können.

Foil Surf, Foil Kite, Foil Windsurf

sind Weiterentwicklungen der bereits genannten Sportarten. Ein Tragflügel (Foil) aus Carbon reduziert den Wasserwiederstand sodass bereits bei leichtem Wind oder kleinerer Welle ein Schweben über dem Wasser – Foilen – möglich ist. Bei den Windsportarten ist das Potential so hoch, dass sie als Formula Kite oder iFoil beim windsurfen als olympische Sportarten die klassischen Disziplinen Windsurf und Kitesurf ersetzen. Kitefoil erlaubt eine Regatta bereits ab 6 Knoten Wind. Die gefahrenen Geschwindigkeiten bewegen sich bei 3-facher Windgeschwindigkeit. Sturzhelm und Prallschutzwesten gehören seither zur Standardausrüstung, um die Verletzungen durch die scharfen Foils zu vermeiden. (Abb. 11)

Verletzungen können an Fuß und Sprunggelenk dann entstehen, wenn der Fuß bei einem Sturz oder Verkanten des Boards in der Schlaufe hängen bleibt. Das Foil selbst stellt primär ein großes Verletzungspotential dar. Schnittverletzungen an den Beinen sind häufig. Können dich das Tragen von Schuhe nur teilweise verhindert werden. Helm und Prallschutzweste sind im Wettkampf vorgeschrieben, sind aber auch für Freizeitsportler angeraten. Eine tiefe Schnittwunde am Kopf kann bei einer Wassersportart, bei der das Land wieder erreicht werden muss, rasch zu einer lebensbedrohlichen Situation werden.

Überlastungen sehen wir häufig im Bereich Knie und Hüften, da hohe Druckbelastungen in einem instabilen Setting über lange Dauer – Training und Wettkampf mit mehreren Regatten pro Tag – bewältigt werden müssen. Da diese Sportarten noch sehr neu sind fehlen jedoch valide Daten.

WingFoil

ist die neueste Surf Sportart. Ein Board mit einem Foil, sowie ein kleines inflatable Segel (Wing), das nicht aufwendig und mit Fachwissen getrimmt werden muss, genügen. Durch das unkomplizierte Setting hat WingFoil ein hohes Potential. Windsurfen erfordert eine hohe Körperspannung. Untersuchungen und die Behandlung von Windsurfen zeigen, dass Windsurfern als Kraftsport bezeichnen werden kann. WingFoil kann im Gegensatz dazu als Physiotherapie bezeichnet werden. Mit einem inflatble Wing (Segel) in den Händen und auf einem Board mit Foil balancierend stellt es hohe koordinative Ansprüche, erlaubt andererseits aber ein fast kraftloses Cruisen.

Betreffend Verletzungen und Überlastungen gilt ähnliches wie bei den anderen Foil Sportarten. Auch hier fehlen jedoch aufgrund der Neuheit der Sportart Analysen.

Ich habe einmal einen 75-jährigen sportliche Mann am Strand in Maui getroffen als er gerade von eine Kitefoil Session an den Stand gekommen ist. Auf die Frage warum er jetzt mit Foil fährt hat er geantwortet: „Früher mit dem klassischen Board hatte ich immer danach Knie- und Hüftschmerzen. Jetzt – mit dem Foil habe ich Riesen Spaß und nach dem Surfen keine Schmerzen“.

Der Autor

Dr. Karl-Heinz Kristen ist Facharzt für Sportorthopädie, Orthopädie und orthopädische Chirurgie und Leiter der Sportklinik Wien.

Sein chirurgischer Fokus liegt auf der minimal-invasiven, schonenden Chirurgie von Knie, Sprunggelenk und Fuß.

Dr. Kristen betreute unter anderem World Cups und Weltmeisterschaften in verschiedenen Surf-Sportarten.