Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin

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Gesundheit geht vor: Prävention im Fußball

Die Präventionsmaßnahmen im Fußball können bei der Vorbeugung von Verletzungen oder Erkrankungen volkswirtschaftlichen Charakter haben, da mit über 7 Millionen in Vereinen registrierten Fußballspielern und über 5 Millionen weiteren Hobbykickern dieser Sport nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich, der Schweiz oder Luxemburg einen enormen Stellenwert in der Gesellschaft und für das Gesundheitssystem hat. Die Gesundheitsprävention beinhaltet nicht nur die Vorbeugung von traumatischen Verletzungen oder Überbelastungen, sondern auch von Erkrankungen, die auch in Zusammenhang mit dem Fußball entstehen können. Im Vergleich zu den meisten anderen Sportarten können Präventionsmaßnahmen im Fußball auf viele wissenschaftliche Berichte und eine gewisse wissenschaftliche Evidenz verweisen.

II) Prävention vor Verletzungen
Die häufigsten Verletzungen mit Ausfallpotenzial für Fußballspieler stellen Muskelverletzungen unterschiedlichen Schweregrades dar, welche durch ein ausbalanciertes Belastungs- und Regenerationsmanagement der Trainer sowie aktive spezifische Präventionsübungen durch die Spieler vorzubeugen sind. Die häufigsten Gelenkverletzungen sind Kapselband-Verletzungen am Sprunggelenk, während die schwerwiegendsten Verletzungen mit den längsten Ausfallzeiten im Fußball die Knieverletzungen sind. Diese Gelenksverletzungen können mit wissenschaftlich gut untersuchten Übungen zur Verbesserung der Rumpf- und Beinachsenstabilität oder sportart-spezifischen Neuromotorik vorgebeugt werden. Ein weiterer entscheidender Faktor für die Prävention ist auch die Kenntnis spezifischer Risikofaktoren, bei denen besonders zu Saisonbeginn, bei Vereins- oder Trainerwechseln, nach vorherigen Verletzungen oder einigen anderen Faktoren erhöhte Vorsicht geboten ist, besonders im Frauenfußball.


III) Prävention vor Überlastungen
Überbelastungsreaktionen sind bei heranwachsenden Fußballspielern besonders an den Apophysen der proximalen Tibia, des Hüft- und Becken-Bereichs und der Ferse zu finden, welche bei Symptombeginn vor allem mit Sportpause oder moderater Adaptation der Fußballbelastung behandelt und vorgebeugt werden können. Bei erwachsenen Fußballern treten die sog. „Overuse“-Verletzungen bzw. Schmerzsyndrome meisten an der Wirbelsäule, der Leistenregion, dem Kniegelenk oder der Achillessehne auf. Diese sind häufig ein Zeichen einer nicht ausbalancierten Belastungssituation der verschiedenen Sehnen und Muskelgruppen (Agonisten/Antagonisten), die durch wiederholte, stereotype Fußball-Bewegungen als Dysbalancen oder Fehlstellungen von Gelenken symptomatisch werden können. Eine adäquate Vorbereitung auf Belastungen durch Aufwärmen, Stretching oder spezifische Kräftigung von Muskelgruppen, aber auch durch Einbau nicht-fußball-typischer Bewegungen und anderer Sportarten ins Fußballtraining, können solche Symptome verhindern.


IV) Prävention von Erkrankungen
Erkrankungen im Sinne von Infektionen der Atemwege oder des Magen-Darm-Traktes treten im Fußball speziell in der kalten Jahreszeit gehäuft auf und als Mannschaftssport sind schnelle Übertragungswege möglich. Individuelle Ansteckungen im privaten Alltag können hier nur eingeschränkt verhindert werden, aber die jährlich immer wieder auftretenden „Ausbrüche von Infektionen“ in manchen Fußballteams sollten verhindert werden. Während die Prävention von Infektionen, besonders den häufig vorkommenden Atemwegsinfekten durch Wegbleiben von erkrankten oder symptomatischen Personen erfolgen sollte und ggf. ein vorübergehendes Tragen einer Maske in der Kabine nach Rückkehr ins Team empfohlen werden kann, so kann bei Magen-Darm-Infektionen besonders eine zusätzliche Händehygiene und Toiletten-/Sanitärhygiene in den Fußballteams eine wirksame Präventionsmaßnahme zur Ansteckung sein.


V) Prävention durch Training
Im Fußball sind insbesondere Aufwärmprogramme und Trainingsübungen mit sehr hoher wissenschaftlicher Evidenz versehen und können bei regelmäßiger Anwendung bis zu 50% der Verletzungen in einem Fußballteam verhindern. Wichtige Vertreter solcher Präventionsprogramme sind das komplette Aufwärmprogramm „FIFA 11+“ für den Amateurfußball, aber auch gelenksbezogene Trainingsprogramme wie das „Regensburger Knieprogramm“ mit seinen variablen Übungen oder spezielle Einzelübungen wie der „Nordic Hamstring“ für die ischiokrurale Muskulatur am Oberschenkel. Solche Übungen haben Nachweise der Wirksamkeit bereits wissenschaftlich gezeigt und sollten in Fort- und Weiterbildungen der Fußballtrainer verstärkt eingeführt werden.


VI) Prävention durch Protektoren und Equipment
Das Schuhwerk mit sich stets ändernden Modellen, Schuhdesign oder Stollenprofilen haben genauso wenig wissenschaftliche Evidenz zur Prävention schwerer Verletzungen im Fußball gezeigt wie das vorgeschriebene Tragen von Schienbeinschonern oder die Verwendung von Torwarthandschuhen. Dieses fußball-typische Equipment reicht allenfalls zur Verhinderung von leichten Verletzungstypen wie Prellungen oder Hautläsionen. Besonders im Rahmen der sekundären Prophylaxe kommen im Fußball immer mehr Protektoren zur Verkürzung von Ausfallzeiten in Frage, wovon Gesichtsmasken nach Nasenbeinfrakturen oder Carbon-Schienen nach Handfrakturen bei Feldspielern die häufigsten Vertreter im Fußball sind.


VII) Fazit
Möglichkeiten der Verletzungsprävention sind im Fußball sehr gut untersucht, kommen jedoch nicht ausreichend im praktischen Alltag des Amateur- oder Profifußballs an. Während im Amateurfußball eher der Informationstransfers zur Basis verbesserungswürdig ist und über die Wege der Trainer-Fortbildungen gesucht werden sollte, stellen im Profifußball teilweise andere Themen eine höhere Priorität als die Verletzungsprävention dar. Da sehr gute Leistungen auf dem Platz bzw. eine individuelle Performance-Verbesserung grundsätzlich nur durch Erreichen des physischen und psychischen Limits der Spieler möglich sind, spielt eine ausgewogene Balance zwischen Risikoabwägung und der Kenntnis des eigenen Limits eine wichtige Rolle für den nachhaltigen Erfolg im Profifußball.

Die Autoren:

Prof. Dr. Werner Krutsch

Kniechirurgie, SportDocsFranken in Nürnberg


Klinik für Unfallchirurgie, Universitätsklinikum Regensburg


Vereinsarzt 1. FC Nürnberg (Mannschaftsarzt Herren und Frauen Profi-Mannschaft)


Medizinische Kommission Deutscher Fußball-Bund


AG Medizin Deutsche Fußball Liga

Dr. Leonard Achenbach

Stv. Bereichsleiter Schulter- und Ellenbogenchirurgie und Tumororthopädie der Oberen Extremität


Orthopädische Klinik, Lehrstuhl für Orthopädie, König-Ludwig-Haus, Julius-Maximilians-Universität


Mannschaftsarzt FC Bayern München, Frauen Bundesligamannschaft


Mannschaftsarzt Deutscher Fußball Bund, U17 Juniorinnen