Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin

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Profisport Basketball – aktuelle Aspekte der Verletzungsprävention

Profisport Basketball – aktuelle Aspekte der Verletzungsprävention

Basketball rangiert nach Fußball auf Platz 2 der beliebtesten Sportarten weltweit. In Deutschland gibt es ca. 191.000 Vereinsspieler und ca. 500.000-600.000 unorganisierte Basketballer, wobei 50% aller Basketballspieler*innen jünger als 18 Jahre alt sind. Neben Fußball, Volleyball und Eishockey zählt Basketball zu den vier großen Mannschaftssportarten in Deutschland, die im Profisportbereich – im Basketball in den ersten beiden Ligen (BBL, ProA/ProB) – über die Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG) versichert sind.

Verletzt sich ein Profisportler im Rahmen des Trainings oder des Wettkampfes, sind die Kriterien eines Arbeitsunfalles erfüllt.

Dies führt wiederum dazu, dass die VBG in den letzten Jahren sehr genau die Daten der Verletzungen, die eine Arbeitsunfähigkeit (time-loss-injury) zur Folge hatten, auswerten konnte.

Die Auswertung der letzten 4 Spielzeiten ergab, dass 67,2 % aller eingesetzten Spieler eine Verletzung erlitten, was zu knapp 2 Verletzungen pro Saison und Spieler geführt hat. Mit knapp 20% der Verletzungen ist das Sprunggelenk beim Basketball traditionell am häufigsten betroffen. Am zweithäufigsten verletzten sich die Spieler am Kniegelenk, gefolgt von Oberschenkelverletzungen.

Verletzungsprävention beginnt mit der Analyse von Risikofaktoren. Videoanalysen konnten 8 wiederkehrende Verletzungsmuster erkennen. 60% der Verletzungen erfolgten in unmittelbarer Korbnähe, überwiegend beim Zug zum Korb, beim Rebound oder auch bei einer Verteidigungsaktion. Wobei nur 12,4 % der Verletzungen mit einem Foulspiel zusammen hingen.

Landungen nach Sprüngen ist das riskanteste Manöver im Basketball, da der Spieler oftmals unkontrolliert auf dem Fuß des Gegenspielers landet und so u.a. ein Supinationstrauma des oberen Sprunggelenkes erleiden kann.

Das Risiko eine Verletzung zu erleiden ist in der ersten Liga deutlich höher als in den beiden zweiten Ligen. Dies kann neben der Verdichtung der Spielpläne auch an der hohen Anzahl kurzfristiger intrasaisonaler Transfers aus dem Ausland in der zweiten Saisonhälfte liegen. Die überwiegend amerikanischen Spieler haben eine kurze Vorbereitungszeit, sind aber oftmals direkt Leistungsträger mit viel Spielzeit. Hinzu kommt der zuvor unbekannte Gesundheits- und Fitnesszustand.

Die endgültige Auswertung ist noch ausstehend, aber subjektiv ist es in der abgelaufenen Saison unter COVID-19 Bedingungen zu mehr Verletzungen gekommen. Dies mag dem Umstand geschuldet sein, dass die Vorbereitungszeit kürzer war und die Spieler in der Saisonpause weniger und unter schlechteren Bedingungen trainiert haben. Gerade bei kleineren, finanziell schwächer aufgestellten Vereinen mussten aufgrund der reduzierten Eintritts- und Sponsorengeldern Einsparungen vorgenommen werden. Dies geschah unter anderem durch die Reduktion von Personalkosten im medizinischen und sportlichen Bereich. So haben einige Mannschaften ihre Physiotherapeuten und Athletiktrainer nur noch in Teilzeitanstellung oder als Honorarkräfte beschäftigen können. Ein Trend der sich auch aufgrund der höheren Verletzungszahlen in dieser Saison wieder revidiert hat.

Ein Indiz für diesen Sachverhalt könnte sein, dass Meisterteams deutlich weniger Ausfälle als der Durchschnitt haben. In der Vergangenheit konnte gezeigt werden, dass Mannschaften mit hauptamtlichem Physiotherapeuten und Athletiktrainer signifikant weniger verletzte Spieler aufwiesen. Dem (strukturiertem) Athletiktraining kommt somit eine hohe präventive Wirkung zu.

Ein Drittel aller Trainingsverletzungen ereignen sich im August und September, zumeist weil die Spieler den Sommer über deutlich weniger trainiert haben. Basketballspezifische Leistungstest, wie sie bereits bei einigen wenigen Basketballbundesligisten im Rahmen der erweiterten medizinischen Eingangsuntersuchungen durchgeführt werden, können individuelle Defizite erkennen, die wiederum durch den (Athletik-) Trainer gezielt angegangen werden können. Gerade bei Muskel- und Sprunggelenkverletzungen besteht hierdurch ein hohes Präventionspotenzial.

Medizinische Eingangsuntersuchungen bestehen aus orthopädischem und allgemein-internistischen Teil. Wünschenswert ist es, wenn die Untersuchung von jeweils einem Vertreter der Fachrichtung durchgeführt wird. In den höchsten Spielklassen in Deutschland ist neben Anamnese und klinischer Untersuchung ein Belastungs-EKG, eine Laborkontrolle und eine Echokardiographie vorgeschrieben. Im Basketball und Handball wird darüber hinaus noch eine Funktionsdiagnostik anhand des Functional Movement Screens oder dem Präventionscheck der VBG gefordert (vgl. Sports Orthopedics and Traumatology, Volume 37, Ausgabe 1, Seiten 33-40; https://doi.org/10.1016/j.orthtr.2020.12.001). Sinn und Zweck ist es, akute Verletzungen oder Belastungsschäden zu erkennen und die Sporttauglichkeit der Athleten zu beurteilen, wobei es sich lediglich um orientierende Untersuchungen handeln kann.

Erweiterte medizinische Eingangsuntersuchungen anhand des modifizierten NBA-combine Tests zur sportartspezifischen Leistungsdiagnostik  ©Steffen Wienhold/s.Oliver Würzburg

In den letzten Jahren zeigt sich ein Trend hin zur Erweiterung der Eingangsuntersuchungen um sportartspezifische Leistungsdiagnostik. Im Basketball werden diese Tests unter dem Oberbegriff NBA combine zusammen gefasst.

Neben der Maximalsprungkraft aus dem Stand (Jump & Reach) und aus dem Stemmschritt heraus (one Step vertical jump), werden u.a. die Sprintfähigkeit (Yo-Yo Test) und die Richtungswechselfähigkeit (agility-t-test) überprüft.

Die einzelnen Tests sind kostenfrei zugänglich, das benötigte Material (z.B. Lichtschranke) ist verhältnismäßig günstig zu beziehen. In eigenen Arbeiten konnte gezeigt werden, dass es einen Zusammenhang zwischen der Leistungsfähigkeit und dem Verletzungsrisiko gibt.

Wünschenswert wäre es, wenn die Testresultate auch für ein individuelles Training genutzt werden würde, um die Performance zu verbessern und das Verletzungsrisiko zu verringern. Dies ist bisher jedoch nur in der nordamerikanischen Profiliga (NBA) möglich. Im europäischen Raum fehlen dafür selbst in den Top Vereinen die finanziellen Mittel.

Verletzungen der unteren Extremitäten können auch im Basketball durch gezieltes neuromuskuläres (Aufwärm-) Training verringert werden. Nach Möglichkeit sollte dies spätestens im Jugendbereich beginnen.

Aufgrund der hohen Anzahl von Sprunggelenkverletzungen sind im Basketball externe Stabilisatoren sehr populär. Im Profisportbereich ist der klassische Tapeverband am beliebtesten, aber auch kostenintensiv. Die Kosten für Tapematerialien belaufen sich bei einem Basketball Bundesligisten auf bis zu 10.000 Euro pro Saison. Eine verbreitete Alternative ist deswegen gerade im Breitensportbereich die Schnürorthese, die funktionell und protektiv gute Ergebnisse zeigen konnte. Im letzten Jahr wurde die erste aktive Sprunggelenkorthese vorgestellt. Kommt es zu einem Supinationstrauma wird dieses mit einem ähnlichen Mechanismus wie bei einem Sicherheitsgurt abgeschwächt, so dass laut ersten Studienergebnissen bis zu 98% der Sprunggelenkverletzungen verhindert werden können.

Zur Prävention von Muskelverletzungen wurden in den letzten Jahren immer mehr Kompressionstextilien eingesetzt. Auch wenn die Spieler sich durchaus wohler damit fühlen, gibt es noch keine Daten dazu, ob diese Textilien auch zur Verletzungsprävention beitragen können.

Wie bereits erwähnt konnten anhand von Videoanalysen bestimmte Verletzungsmuster im Basketball analysiert und kategorisiert werden. Regeländerungen können nach einer solchen Analyse der externen Risikofaktoren auch als Mittel zur Prävention eingesetzt werden. Beispielsweise wurde in der letzten Saison eingeführt, dass wenn ein Verteidiger in einen im 3-Punkte-Wurf befindlichen Spieler hineinspringt und es zu einem Körperkontakt kommt, dieses mit einem unsportlichen Foul geahndet wird. Aufgrund dessen konnte in der letzten Saison diese riskante Spielsituation deutlich entschärft werden.

Auch wenn Basketball im Verhältnis zu den anderen großen Mannschaftssportarten ein geringeres Verletzungsrisiko aufweist, gehört es zu den Risikosportarten. Die Analyse von sportartspezifischen Risikofaktoren hat gezeigt, dass es viele Möglichkeiten zur Verletzungsprävention gibt, die den Beteiligten – Spieler, Trainer, Physiotherapeut, Athletiktrainer, usw. – jedoch zum einen bewusst sein und zum anderen auch umgesetzt werden müssen.


DER AUTOR

Dr. med. Kai Fehske, M.A. (Sportwiss.) ist Oberarzt an der Klinik und Poliklinik für Unfall-, Hand-, Plastische- und Wiederherstellungschirurgie des Universitätsklinikums Würzburg. Seit 2010 ist er leitender Mannschaftsarzt des Basketball Bundesligisten s. Oliver Würzburg. Darüber hinaus ist er 2. Vorsitzender der Basketdocs und 1. Vorsitzender der Handballärzte Deutschland e.V.